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Der Whistleblower Edward Snowden in Moskau.

© dpa

Asyl für den Whistleblower: Im Fall Snowden geht es um die Balance der Machtpolitik

Es ist nicht "nur" ein Mann, um den es im Fall Snowden geht, es geht um ein Kräftemessen zwischen den USA und Russland. Doch niemand kann ein Interesse daran haben, dass sich die Welt wieder in Blöcke teilt.

Hat er oder hat er nicht? Allein die nebulösen Aussagen zum Asylbegehren von Edward Snowden zeigen, dass es um viel mehr geht als „nur“ um einen Mann, der von den einen als Verräter am eigenen Land, von den anderen als Verteidiger der Bürgerrechte gesehen wird. Es geht um mehr als eine Balance von Freiheit und Sicherheit der Daten jedes Bürgers. Der Fall droht sich aufzuschaukeln zur Frage von Freiheit und Sicherheit in viel größerem Maßstab. Es geht um die Balance der Macht in der Weltpolitik – und die betrifft jeden Einzelnen sehr schnell, sehr unmittelbar.

Aus dem Kräftemessen des David Snowden gegen den Goliath USA könnte ein Kräftemessen USA/Russland werden, das sehr viel weiter reicht als nach Washington und Moskau. Amerika ist mit der Verfolgung Snowdens gleich ganz oben eingestiegen. Die Supermacht hat alle wissen lassen, dass sich der Präsident persönlich kümmert. Wladimir Putin, der lupenreine Despot, hat ziemlich schnell doppelte Botschaften ausgesandt, als es um ein mögliches Asyl in Russland ging, das Snowden wohl auch nicht wirklich will.

Putin will Snowden nicht, Obama hat zu viel zu verlieren

Putin wollte und will Snowden offenbar nicht haben, muss aber auch aufpassen, dass er nicht als von Washington Düpierter erscheint. Nun sucht er sein Heil darin, sich als Menschenrechtler zu gerieren, um einen moralischen Sieg vorzutäuschen. Das mögen vielleicht seine Anhänger goutieren, seine Kritiker wird das nicht überzeugen. Aber auch Barack Obama hat einiges zu verlieren, wenn er den Druck aus innenpolitischen Gründen zu hoch dosiert.

Die Hoffnung für alle auf den Zuschauerrängen ist, dass beide diplomatisch abrüsten und hinter den Kulissen auch die sogenannten jeweils befreundeten Staaten an einer Lösung für Edward Snowden arbeiten, die Gesichtsverlust ebenso verhindert wie ein Übermaß an weiteren Machtbeweisen. Niemand kann ein Interesse daran haben, dass sich die Welt wieder in Blöcke teilt. Auch Deutschland kann nicht daran gelegen sein, sich entscheiden zu müssen, ob der eine oder der andere Partner der bessere ist. Die Überflugrechteposse war ein schlechter Vorgeschmack. Nicht zu vergessen: Es geht um einen Menschen, er hat einen Namen.

Angela Merkel kann noch eine Karte im Fall Snowden ausspielen

In all diesen Wirren reist der Bundesinnenminister in die USA, freut sich über einen Händedruck des Vizepräsidenten. Die Kanzlerin wusste, dass er keine Aufklärung erhalten würde, das war eher politische Kosmetik. Oder will jemand von einer Auskunft sprechen, wenn der Minister „keine Bestätigung“ dafür bekommt, dass alles ausgespäht wird? Ein Dementi ist das jedenfalls nicht. Der Minister berichtet, 45 Anschläge seien verhindert worden, vor ein paar Wochen sollten es noch 50 gewesen sein. Der Minister berichtet, dass via Prism sehr wohl Inhalte und nicht nur Verbindungen durchsucht werden. Ach so, nicht so schlimm, weil ja nur nach Terroristen, Massenvernichtungswaffen und organisierter Kriminalität gesucht wird? Wir erfahren nicht, auf welcher Grundlage. Vertrauen sieht anders aus. Ein Händedruck von Joe Biden reicht da nicht.

Angela Merkel hat sich, anders als die beiden Präsidenten, bisher nicht selbst ins Feuer gestellt. Es bleibt noch eine diplomatische Eskalationsstufe übrig, es geht schließlich um die Rechte ihrer Bürger. Die Karte kann sie noch ziehen. Sie darf sie nicht aus den Augen verlieren. Bei aller Freundschaft. Auch sie hat etwas zu verlieren: Vertrauen.

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