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Windräder vor den Kühltürmen eines Kohlekraftwerks - auch einer Energieform, die es zu ersetzen gilt.

© dpa

Atomkraft: Vielleicht wird die Energiebrücke nie gebaut

Atomkraft als Brückentechnologie: Die Union streitet, was das wohl bedeutet - und die Taktik von Umweltminister Röttgen könnte am Ende aufgehen. Ein Kommentar.

Für Norbert Röttgen sieht es im Moment nicht gut aus, es sei denn, man beurteilte seine Chancen nach der alten Haudegenweisheit „Viel Feind, viel Ehr’“. In Nordrhein-Westfalen wird er beim Kampf um die Rüttgers-Nachfolge den Kürzeren ziehen, und in der Debatte über die Zukunft der Kernenergie hat er im Moment so ziemlich alles gegen sich, was er eigentlich für eine moderate Verlängerung der Kraftwerklaufzeiten auf seiner Seite bräuchte.

Nach geltendem Recht würde das letzte deutsche Atomkraftwerk 2022 heruntergefahren werden. Die schwarz-gelbe Regierung hat aber eine Laufzeitverlängerung in den Koalitionsvertrag geschrieben. Union und FDP sprechen von einer Brückentechnologie, die zu nutzen sei, bis der Systemwechsel hin zu den erneuerbaren Energien ohne Versorgungsrisiko zu schaffen ist. Ob diese Brücke aber über die Spree oder über den Ärmelkanal führt, das ist der Streitpunkt.

Umweltminister Röttgen dachte an acht Jahre zusätzlicher Laufzeit, weil nach seinem Rechtsverständnis eine darüber hinausgehende Verlängerung ohne Zustimmung des Bundesrates nicht möglich ist. Dort aber hat Schwarz-Gelb mit der nordrhein-westfälischen Wahlniederlage die Mehrheit verloren. Baden-Württembergs nassforscher Regierungschef Stefan Mappus hält die Atompolitik des Bundes für eine „grandiose Fehlleistung“. Im Südwesten, der sich genau wie Bayern um den Nuklearmüll nicht schert (der wird ja im Norden gelagert), träumt man von einer Verlängerung von mindestens 14 Jahren. Das gefiele auch Ministerpräsident Horst Seehofer, dem liberalen Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, seiner FDP und den Energieversorgern ohnedies.

Kernkraftwerke kann man, im Gegensatz zu den Energieerzeugern aus fossilen Quellen, nicht einfach an- und abschalten, wenn aus erneuerbaren Energien gerade nicht genug Strom zu gewinnen ist, in der Nacht etwa oder bei Windstille. Ob diese Brücke also technologisch trägt, ist durchaus umstritten. Weit schwerwiegender sind jedoch die Sicherheitsaspekte. Haben die Energieerzeuger, die ja nach geltendem Recht von der sukzessiven Abschaltung aller Akw bis 2022 ausgehen müssen, in den vergangenen Jahren so viel in die Sicherheit investiert, dass man die Laufzeiten bei realistischer Gefahrenabschätzung einfach um 14 Jahre verlängern könnte? Wenn sie es getan haben – warum werben sie nicht schon längst mit der Sicherheit ihrer Kernkraftwerke in großen Kampagnen, um eine nach wie vor atomkritische Öffentlichkeit zu überzeugen?

Eines steht fest: Werden Atomkraftwerke modernisiert, müssen von je her die Arbeiten durch die Länder überwacht werden, weil der Bund keine Behörde hat, die das tun könnte. Und damit ist – wovon Röttgen, anders als Mappus und Seehofer, ausgeht – der Bundesrat doch gefragt. Es kann also sein, dass die Energiebrücke nie gebaut wird und Röttgens Taktik am Ende keine Fehlleistung ist.

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