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Meinung: Atomkraft: Wie es euch gefällt

Deutschland steigt aus der Atomkraft aus, Amerika steigt noch dicker ein - und zwei Gescholtene nutzen die Ankündigungen geschickt für PR in eigener Sache.Umweltminister Jürgen Trittin stand in den vergangenen Monaten kräftig in der Kritik.

Deutschland steigt aus der Atomkraft aus, Amerika steigt noch dicker ein - und zwei Gescholtene nutzen die Ankündigungen geschickt für PR in eigener Sache.

Umweltminister Jürgen Trittin stand in den vergangenen Monaten kräftig in der Kritik. Das Gesetz zum Atomausstieg ließ auf sich warten, obwohl der Atomkonsens mit der Industrie schon im Juni 2000 beschlossen worden war. Statt dessen rollten wieder Castoren. In der Antiatomgemeinde machte das Wort vom Verräter die Runde. Sogar den 15. Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl ließ Rot-Grün verstreichen, ohne das Gesetz vorzulegen.

Nun sollen die Energieversorger in spätestens vier Wochen ihre Unterschrift unter den Vertrag setzen. Offenbar war die Formulierung doch schwerer, als man annehmen sollte, wenn zwei sich angeblich einig sind. Die größte Hürde war die Begründung für den Ausstieg. Der Minister wollte sein Gesicht wahren und das Gefahrenpotenzial der Atomenergie deutlich machen. Die Versorger fürchteten, viele Bürger würden fragen, warum die Meiler, wenn sie denn so gefährlich sind, nicht sofort vom Netz gehen, sondern man bis 2018 mit dem Risiko leben müsse. Das könnte jemand auf die Idee bringen, unter Verweis auf die Gefahrenschilderung im Gesetz gegen den einen oder anderen Reaktor zu klagen.

Der Kanzler steht nach seinem Rentencoup gut da - und hatte kein Problem, dem Minister den Vortritt bei dieser lange erwarteten Botschaft zu lassen. Und zwar in Niedersachsen, bei den Grünen. Trittin erhielt Gelegenheit, verlorenes Terrain wieder gut zu machen. Die Parteifreunde dort waren nach seinen harten Tönen gegen die Anti-Castor-Demonstranten nicht gut auf ihn zu sprechen. Ganz versöhnt sind sie nicht. Eine Entschuldigung wollte Trittin in Nienburg nicht über die Lippen kommen.

Der Ausstiegsvertrag wird weitere PR-Gelegenheiten bieten. Während die Tinte gerade trocknet, wird Gerhard Schröder die Bühne betreten - und gemeinsam mit der Energiewirtschaft das Rampenlicht genießen.

Auf der anderen Atlantik-Seite sonnt sich der mächtigste Mann bereits im Licht der Aufmerksamkeit. Das Energiesparen wolle er fördern, sagt der Präsident der Vereinigten Staaten. Firmen, die das tun, sollen Steuervorteile erhalten. Aus jedem Barrel Öl will George W. Bush so viel herausholen, wie möglich. Hört sich gut an. Aber ist das eine Wende in der US-Politik? Entdeckt Amerikas Präsident den Umweltschutz? Danach sieht es leider nicht aus. Im Haushaltsplan für das nächste Jahr hat die Regierung den Etat für diesen Bereich um ein Drittel gekürzt. Vielleicht wird nun wieder etwas draufgepackt.

Bush ist unter Druck. Kalifornien im Dunkel, wegen Strommangel - das kommt bei den Wählern nicht gut an. Die Amerikaner mögen steigende Benzinpreise genauso wenig wie deutsche Autofahrer. Das Ausland ist zudem entsetzt über den hohen Kohlendioxid-Ausstoß, der die Klimaschutzbemühungen torpediert. Bush jedoch verspricht steigenden Lebensstandard im Einklang mit der Umwelt. Wie das gehen soll? Mit neuen Atomkraftwerken. Auf die setzt Vizepräsident Cheney. Dessen Strategie will Bush diese Woche vorstellen. Cheney sagt, Energiesparen führe nicht aus der Krise - und Atomkraft sei sauber. Amerika setzt auf Risiko und nennt den Schritt zurück Fortschritt.

In Deutschland sieht man in der Atomkraft ein Risiko - die Wirtschaft inzwischen auch ein geschäftliches Risiko. Dennoch ist das Ende offen. Trittins Jahr 2018 ist eine Schätzung, kein festes Datum. Die Zahl der Castor-Transporte wird erst einmal sinken. Das ist ein Gewinn, ein politischer, aber auch einer für die Etats, aus denen die Polizeieinsätze bezahlt werden. Was abermals Gelegenheit zu PR bietet. Im Ausstieg kann man sich sonnen. Je eher, desto besser.

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