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Atompolitik: Gabriels Strahlen

Umweltminister Sigmar Gabriel ist ab sofort im Wahlkampf. Und er hat ein Thema gesetzt, von dem er hofft, dass es seine Partei aus den Umfragetiefs der vergangenen Monate herauskatapultiert: die Atompolitik. Gabriel zeigt klare Kante gegen Kanzlerin Angela Merkel und die FDP, die im Fall eines schwarz-gelben Wahlsiegs das Atomgesetz ändern und die dort festgeschriebenen Laufzeiten der 17 Kernkraftwerke um bis zu 15 Jahre verlängern wollen.

Gabriel dagegen will den Atomausstieg beschleunigen und sieht in der Bundestagswahl eine Richtungsentscheidung pro oder contra Kernenergie. Am 27. September müssten die Deutschen darüber entscheiden, ob die acht ältesten Kernkraftwerke – darunter auch der wegen eines Transformatorausfalls erneut in die Schlagzeilen geratene Atommeiler Krümmel – endlich abgeschaltet werden können, wie es die SPD anstrebe. Oder ob diese „schwierigen“ Reaktoren nach Willen von Union und FDP auch noch weit über die nächste Legislaturperiode hinaus betrieben werden.

Unter wahlstrategischen Gesichtspunkten mag eine solche Zuspitzung sinnvoll scheinen. Doch ist noch keinesfalls ausgemacht, dass die Stimmen der kernkraftkritischen Bürger auch tatsächlich bei den Sozialdemokraten landen. Denn die SPD besitzt bei diesem Thema allenfalls Zweitverwertungsrechte. Das Copyright liegt bei den Grünen. Warum aber soll man sich für die Kopie entscheiden, wenn mit den Grünen das in Sachen Kernkraftkritik eindeutig kompetentere Original zu haben ist? Zumal es ja auch noch eine atompolitische Vergangenheit der Sozialdemokraten gibt, die – wie etwa im Skandal um das atomare Endlager Asse – noch lange nicht bewältigt ist.

Solche Bedenken schrecken Gabriel nicht. Er setzt, statt parteipolitischer Rückschau, auf die Autorität seines Amtes. Und er zieht gegen die Atomkraft vom Leder: Ein Terroranschlag auf ein Atomkraftwerk könne in einem so dicht besiedelten Industrieland wie Deutschland eine Katastrophe auslösen. Zudem seien deutsche Reaktoren längst nicht so sicher wie behauptet, stattdessen sei hier der Störfall der Normalfall. So auch beim Vattenfall-Meiler Krümmel. Den hält der Minister für „nicht sicher“, deshalb dürfe der auch so schnell nicht wieder angeschaltet werden.

Spätestens hier wird die Angelegenheit schräg. Kerntechnische Anlagen dürfen laut Gesetz in Deutschland nur dann betrieben werden, wenn die Anlagensicherheit umfassend gewährleistet ist. Das überwachen die atomrechtlichen Aufsichts- und Genehmigungsbehörden der Länder. Und zwar unter Aufsicht des Bundesumweltministers, der notfalls per Weisung eingreifen kann, falls die Länderbehörden ihrer Aufgabe nicht gerecht werden sollten.

Kiels zuständige Ministerin Gitta Trauernicht (SPD) hatte keine sichersheitstechnischen Bedenken, als sie nach der zweijährigen Nachrüstungs- und Wartungsunterbrechung die Erlaubnis für das Wiederanfahren des Vattenfall-Reaktors Krümmel erteilte. Gabriel hatte solche Sicherheitsbedenken offenkundig auch nicht, denn sonst hätte er gegen die Entscheidung seiner Parteifreundin sofort intervenieren müssen.

Weil er das nicht getan hat, muss man die neuen Äußerungen von Sigmar Gabriel zu Krümmel als das werten, was sie sind: als Wahlkampf, der von ihm auch über die Ängste der Menschen betrieben wird. Glaubwürdig geht anders.

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