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Atompolitik: Wer zuletzt strahlt

Wenn Angela Merkel in ein paar Wochen ihr neues Energiekonzept vorstellt, kann sie sicher einen Kompromiss präsentieren, mit dem ihre Koalition prima leben kann. Dass das ein politischer Fehler ist, davon redet dann niemand mehr.

Wo soll der Strom denn nun herkommen? Atombosse und DFB-Teammanager finden darauf schlichte Antworten, Fachleute streiten darüber eigentlich schon lange nicht mehr: bloß nicht aus Atomkraftwerken. Zu unsicher die Entsorgungsfrage, zu endlich der Rohstoff Uran, vor allem aber: zu sehr blockieren Atomkraftwerke und ihre Infrastruktur den überfälligen Wechsel zu einer dezentralen Energieversorgung und erneuerbaren Energien. Längst ist das keine grüne Spinnerei mehr, sondern energiewissenschaftlicher Konsens, der eigentlich auch bis weit in die Atompartei CDU vorgedrungen ist.

Und doch werden wir Endverbraucher dieser Tage Zeugen eines merkwürdigen Schauspiels, das die schwarz-gelbe Koalition aufführt – seit Wochen. Mal reist die Kanzlerin zu einer Windkraftanlage, mal zu einem Atomkraftwerk. Mal wollen die Koalitionäre eine Brennelementesteuer, mal eine Fondsabgabe. FDP-Politiker echauffieren sich über Forderungen der CDU, die Atomindustrie jenseits einer Budgetabgabe wie der Brennelementesteuer mit einer Abgabe für die Förderung erneuerbarer Energien zu belegen. CDU- Politiker kontern, das stehe genau so im Koalitionsvertrag. Der baden-württembergische Ministerpräsident sieht sich als Siegelbewahrer der Atomkraft und verteufelt seinen eigenen Parteifreund, den Umweltminister, nur weil der die Laufzeitverlängerung in den Bundesrat bringen will. Und die CSU will die Meiler am liebsten alle wieder unbegrenzt laufen lassen – solange sichergestellt wird, dass der Atommüll nicht in Bayern landet. Die Atomlobby macht derweil mit großformatigen Anzeigen mächtig Druck auf die Regierung, längst abgeschriebene Akw möglichst lange laufen zu lassen. Schon spricht die Kanzlerin von Erpressung.

Auffallend ruhig ist es dagegen um die Kernkraftgegner geworden. Wenn die am 18. September zu einer Großkundgebung laden, dann können sie nach Lage der Dinge nur mit ein paar tausend Unterstützern rechnen – Politinteressierte aus dem Bürgertum echauffieren sich dieser Tage offenbar lieber über einen Bahnhof in Stuttgart oder die Thesen eines Thilo Sarrazin.

Wenn das die Strategie der Kanzlerin war, dann kann man ihr nur gratulieren. So lange hat sie ihre Koalitionäre und die Industrie streiten und plärren lassen, bis sich am Ende noch der letzte Beobachter vor Qual abwendet. Wenn keiner weiß, wohin die Reise wirklich geht, wogegen dann demonstrieren? Gegen vier Jahre? Gegen sieben? Chaos ist kein Mobilisierungselement. Es wird der Tag kommen, an dem diese Koalition uns mit ihrem Gefeilsche derart zu Tode langweilt, dass niemand mehr den strahlenden Sieger zu Kenntnis nehmen wird: die Kanzlerin. Wenn Angela Merkel in ein paar Wochen ihr neues Energiekonzept vorstellt, kann sie – ganz ausgleichend – einen Kompromiss präsentieren, mit dem ihre Koalition prima leben kann. Ein paar Jahre Verlängerung wird es geben, eine Brennelementesteuer auch, und irgendeinen kleinen Fonds für den Umweltminister und seine erneuerbaren Energien steuert die Atomindustrie großzügig auch noch bei.

Zufällig entspricht dieses Ergebnis dann ziemlich genau dem, was im Koalitionsvertrag steht. Dass das ein politischer Fehler ist, der die Gesellschaft wieder spaltet, und eine Weichenstellung für eine veraltete Energiegewinnung durch monopolartige Erzeuger, die gegen die Interessen von Stadtwerken und privaten Stromeinspeisern handeln – davon redet dann niemand mehr. Hauptsache, die Kanzlerin strahlt. Als Letzte.

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