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Meinung: Atomspalterei

USA und Nordkorea fehlt es am Willen zum Kompromiss – der jedem nützen würde

Nordkoreanische Kader sind als Verhandlungspartner berüchtigt. Seit dem Korea-Gipfel 2000, dem ersten Treffen der Führer aus Nord- und Südkorea, versucht Seoul vergeblich, mit Pjöngjang ein Friedensabkommen auszuhandeln. Ähnlich erfolglos sind die seit Jahren andauernden Bemühungen Japans, die Beziehungen zu normalisieren. „Bevor sie einen Schritt nach vorne machen, gehen sie zwei zurück und drei im Kreis“, sagt ein asiatischer Diplomat.

Washington hat sich deshalb entschlossen, die Atomgespräche in Peking aus einer Position der Stärke zu führen. Bevor man mit Pjöngjang über Wirtschaftshilfen oder Sicherheitsgarantien rede, müsse das Regime sämtliche Atomprogramme „vollständig, nachprüfbar und unumkehrbar“ einstellen, erklärte US-Vizeaußenminister James Kelly am Mittwoch. Die USA glauben, sich die harte Haltung leisten zu können. Seit dem Zusammenbruch des Ostblocks liegt Nordkorea wirtschaftlich am Boden. Die meisten Fabriken des Landes stehen still. Benzin ist so knapp, dass selbst die Kampfjets der Armee nicht mehr fliegen können. Hunderttausende Nordkoreaner sind in den vergangenen Jahren aus Not nach China geflüchtet. Früher oder später, so das Kalkül, wird die wirtschaftliche Not das Regime zum Nachgeben im Atomstreit zwingen.

Der Fehler der USA ist jedoch, dass sie Nordkorea unterschätzen. Gerade weil das Regime mit dem Rücken zur Wand steht, wird es nicht nachgeben. Der „liebe Führer“ Kim Jong Il hat nichts mehr zu verlieren: Wirtschaftssanktionen können Nordkoreas Lage kaum verschlimmern. Ein Großteil der 22 Millionen Menschen im Land wird schon heute von Hilfsorganisationen ernährt. Trotzdem gibt es keine Opposition. Im Gegensatz zu Iran oder Libyen lässt sich Kims Regime auch nicht militärisch unter Druck setzen. Nordkorea hat Tausende konventionelle Raketen entlang der Demarkationslinie stationiert. Jeder militärischen Konflikt würde das Leben von Millionen Menschen in Seoul und anderen südkoreanischen Städten gefährden.

Kim Jong Il weiß, dass er nicht zur Aufgabe seiner Atompläne gezwungen werden kann. Selbst wenn die ehemaligen Schutzmächte China und Russland den Handel mit Nordkorea einstellen sollten, könnte das Regime noch lange überleben. Kim wird seine Nuklearpläne nur aufgeben, wenn er etwas bekommt. Ihm geht es um eine Bestandsgarantie für sein Regime. Um Nordkorea ein Schicksal wie das des Irak zu ersparen, verlangt er von Washington Sicherheitsgarantien. Wirtschaftshilfen und Energielieferungen sollen einen ökonomischen Kollaps verhindern.

Die USA haben die Chance, Nordkorea wieder an die Weltgemeinschaft heranzuführen. Dafür muss Washington seine harte Haltung aufgeben. Umgekehrt wird Kim Jong Il auf eine formale Sicherheitsgarantie der USA verzichten müssen und sich mit einer informellen, mündlichen Nichtangriffserklärung abfinden müssen. Washington hat bereits angedeutet, dass es dazu bereit wäre. Es fehlt jedoch auf beiden Seiten am Willen zum Kompromiss. Denn beide glauben, in einer stärkeren Verhandlungsposition zu sein. Dabei kann sich ein Scheitern keiner leisten. Sollte Nordkorea tatsächlich Atommacht werden, wäre die Stabilität in ganz Asien bedroht. Und in Nordkorea würde eine weitere Generation in Armut und Isolation aufwachsen.

Harald Maass

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