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Auch der BND muss sich rechtfertigen: Edward Snowden hat seine Mission erfüllt

Von der Untersuchung der NSA-Spitzelaffäre durch den Generalbundesanwalt ist nicht viel zu erwarten. Doch Edward Snowden hat seine Mission erfüllt: Mit seinen Enthüllungen eröffnet er eine Perspektive, die Auslandsaufklärung und Spionage als Skandal erscheinen lässt.

Ein Jahr nachdem sie begonnen hat, folgt auf den von Edward Snowden ausgelösten NSA-Skandal so etwas wie eine erste förmliche Reaktion der Exekutive. Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe leitet ein Ermittlungsverfahren ein, im Verdacht: die Akteure des mutmaßlich bestinformierten Geheimdienstes der Welt, einschließlich der ihn befehligenden Administration.

Ein langes Zögern, ein bewusstes Wägen. Entsprechend politischer Haltung und Erwartung waren die Rufe immer lauter geworden, den imperialen Massenerfassern von der anderen Seite des Atlantiks strafprozessual das Handwerk zu legen. Nun sieht es tatsächlich so aus, als habe Harald Range den Empörten nachgegeben, die die Regierung mit dem Enthüllermaterial in den Händen seit Monaten effektvoll vor sich hertreiben.

Doch so wird es kaum gewesen sein. Vielmehr hatte Range von Anfang an klargemacht, dass mit dem Report der Spionagevorwürfe seine Zuständigkeit markiert war, dass er nun alles für möglich halte, auch, die NSA-Chefs ins Visier zu nehmen. Trotzdem zögerte er, zu Recht. Auch ein dem Legalitätsprinzip Verpflichteter hat gelegentlich politische Entscheidungen zu treffen. Range hätte aus eben diesen Gründen sogar von Strafverfolgung absehen können – er kann es auch weiterhin –, doch wartete er wohl nicht zuletzt, um die Justiz als Entschleunigungsmaschine ihren Dienst tun zu lassen. Hätte er sogleich ermittelt, wären die Verwerfungen größer geworden als jene, die jetzt noch drohen. So gab er der Regierung Raum, trotz Möglichkeit des Einwirkens ihre Distanz zu seinem Handeln zu bekunden. Eine gute Geste in Zeiten schwieriger Diplomatie.

Angela Merkel und ihr Handy stehen im Mittelpunkt

Verständlich, dass die Behörde ihre Nachforschungen vorerst auf das Abhören von Kanzlerin Merkels Unionshandy beschränkt. Snowdens Belege reichen, soweit bisher bekannt, für mehr kaum aus. Anlass für ein öffentliches Ärgernis zu geben, erfüllt noch keinen Straftatbestand. Dort geht es um Landesverrat und Agententätigkeit. Es sind Vorschriften für die Zeiten von Blockbildung und Eisernem Vorhang, die für den systematischen Datenfang durch Staaten, die der Bundesrepublik ansonsten sehr zugewandt sind, sorgsam interpretiert werden müssen. So eindeutig wie bei Merkels belauschtem Parteifunk drängt sich hier ein Anfangsverdacht jedenfalls nicht auf.

Ohnehin dürfte ein deutsches Aktenzeichen in der Strafsache NSA noch keinem Verantwortlichen in Washington oder Fort Meade den Angstschweiß auf die Stirn treten lassen. Rechtshilfeersuchen werden ohne zufriedenstellende Antwort bleiben. Ob Snowden selbst noch viel beizutragen hat, ist unbekannt, ob er es täte, wenn er könnte, fraglich. Offenbar lotet er die Chancen für eine Rückkehr in die USA aus, die ihm eine detaillierte Aussage als neue Straftat anlasten könnten.

Viel ist die Rede von weiterer Aufklärung – die nach allem jedoch wenig wahrscheinlich ist. Ohnehin liegt die Leistung Snowdens weniger darin, Ausmaß und Programme der Überwachung publik gemacht zu haben. Mit seinen Papieren hat er eine Perspektive eröffnet, die Grundrechte Einzelner auf globaler Ebene mit staatlichen Macht- und Schutzansprüchen konfrontiert. Die sogenannte Auslandsaufklärung, seit Jahrzehnten eingeübt und völkerrechtlich ebenso erlaubt wie ihre zwielichtige Schwester, die Spionage, erscheint in neuem Licht, in dem sich auch der BND zu rechtfertigen hat. Die Dienste greifen ab, was sie können, wir Bürger geben, was wir haben. Aufklärung ist, wenn dies ein Ende hat.

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