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Auf den Punkt: Der fantastische Freitag

Elisabeth Binder über das Berlin in Bollerjeans

Am „Casual Friday“ kommen amerikanische Angestellte ganz lässig gekleidet ins Büro, Jeans statt Flanellhose, Einstimmung aufs Wochenende. Am Rande seiner Show auf der „Bread & Butter“ träumte G-Star Raw-Chef Jos van Tilburg davon, den „Casual Friday“ auf die restlichen Tage auszudehnen, gewissermaßen eine blaue Arbeitswoche zu kreieren, in der Jeans in jeder Konferenz comme il faut sind. Aber ist es wirklich erstrebenswert, dass Blau das neue Grau wird? Und haben wir hier außerhalb der Messebereiche nicht ganz andere Probleme? Der holländische Unternehmer sollte wirklich öfter nach Berlin kommen. Abseits aller glamourösen Fashion Events wird in weiten Teilen der Stadt leider immer noch die „Casual Week“ zelebriert, die extralässige Sieben-Tage-Woche. Bollerhosen und beulige Pullis und Jacken bleiben doch meistens weit hinter den schicken Jeans-Kreationen zurück, die vor allem auf den Dresscode „smart casual“ zugeschnitten sind. Mit einem akkurat geschnittenen Kurzmantel kombiniert, kriegen schließlich selbst aufgekrempelte Denim-Shorts den ästhetischen Wow-Effekt.

Was Berlin fehlt, ist der „Formal Friday“ für alle, ein Tag, an dem sich Angestellte in Behörden und Unternehmen oder auch alle Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel und die Kunden von Supermärkten bewusst Mühe geben mit ihren Outfits. Es muss ja nicht gleich Nadelstreifen oder Edeljeans sein. Und es muss auch nicht teuer sein. Hauptsache man spürt, dass der Träger einer Klamotte sie vor dem Überstreifen angeschaut und für gut befunden hat. Dann wird der „Formal Friday“ zum fantastischen Freitag.

Für Angestellte konservativer Unternehmen und Behörden gäbe es noch eine weitere Variante, jenseits der Fashion Week modisches Bewusstsein auf breiter Ebene zu pflegen. Muss man nur aufs blaue Meer gucken, wo auf Kreuzfahrtschiffen der tägliche Dresscode per Newsletter herausgegeben wird. Jeden Tag eine neue Kleiderordnung von „old fashioned“ über „formell“ bis "informell“ oder auch „smart casual“. Das setzt nicht nur Phantasie und Kreativität frei, sondern schafft auch neue Arsenale für die Trendscouts, die von anderswoher kommen.

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