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Malte Lehming

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Der Möchtegernnachfolger

Malte Lehming über "Obama am Tor"

Es entbehrt nicht einer gewissen Komik: Bei George W. Bush bedurfte es eines größeren Krieges, um das transatlantische Verhältnis zu strapazieren, bei seinem Möchtegernnachfolger, dem wahlkämpfenden Senator aus Illinois, genügt eine Redeankündigung. Von dessen Wunsch, in Berlin vor dem Brandenburger Tor zu reden, ist Angela Merkel nämlich gar nicht angetan. Dabei wollte Barack Obama doch eben jene transatlantischen Beziehungen, die er nun so vergiftet, eigentlich reparieren. Naja, außenpolitisch kann er halt noch etwas zulegen.

Das sehen Klaus Wowereit und Frank-Walter Steinmeier, die beide in den Startlöchern stehen, um Kanzlerkandidat der SPD zu werden, naturgemäß anders. Sie wollen liebend gern und überall neben Obama stehen, damit von dessen Glanz auf sie selbst ein wenig abfallen möge. Entsprechend großzügig sehen sie darüber hinweg, dass Obama zur Zeit lediglich ein aussichtsreicher Kandidat ist, mitnichten aber Präsident der Vereinigten Staaten. Weder Ronald Reagan, noch Bill Clinton oder gar John F. Kennedy. Ungeniert so tun als ob: Was bei anderen Politikern als präpotentes Imponiergehabe kritisiert wird, verbuchen die Sozialdemokraten im Fall Obama unter "Statur haben" und "Respekt zeigen". Mit Alphatierchen kennen sie sich halt aus, die Schröder-Regentschaft ist ihnen noch gut erinnerlich.

Auch diese Posse lehrt: Wie kaum ein anderer Politiker eignet sich Obama als Projektionsfläche für diverse Wünsche, Hoffnungen und Sehnsüchte. Der erste schwarze Präsident im Weißen Haus: Das wäre die Erfüllung des Gleichheits- und Emanzipationstraumes. Jeder kann es schaffen, es gibt Gerechtigkeit auf Erden. Und auch historisch folgte auf Unterdrückung und Drangsal die späte Wiedergutmachung. Denn was die Juden im Dritten Reich, waren doch die Schwarzen in den USA und sind heute die Türken in Deutschland: So ähnlich jedenfalls würde es Faruk Sen ausdrücken, der Direktor der Türkeistudien, und mit ihm denken würden es Millionen andere, in Deutschland und anderswo.

Was also liegt näher, als Obama nicht vorm Brandenburger Tor reden zu lassen, sondern im Tiergarten beim sommerlichen Grillfest, gemeinsam mit Tausenden von Berliner Türken? Er könnte ihnen erzählen vom immerwährenden Kampf um Gleichheit, Bildung und Aufstiegschancen. Und enden könnte er legendär wie einst sein Vorbild Kennedy, allerdings nicht mit einem deutschen, sondern einem türkischen Satz: "Evet, siz'de baschara bilirsiniz" - Yes, you can.

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