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Helmut Schümann

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Ein 1:54 wird Stuttgart nicht erleben

Helmut Schümann über den Wechsel von Jens Lehmann

Eines ist gewiss: Ein 1:54 wird es mit Jens Lehmann im Tor des VfB Stuttgart nicht geben. Es ist ja nun die hohe Zeit des Fußballs, in der geht es nicht anders, in der muss über Fußball geredet werden, über Fußball, über Fußball. Wer ist Barack Obama und wo spielt er?

Fußball. Jens Lehmann wechselt zum VfB Stuttgart. Ja nun, das ist einerseits ganz schön für den VfB Stuttgart, für Jens Lehmann, und für die Nationalmannschaft ist es bei der Europameisterschaft natürlich auch schön. Dem Lehmann wurde ja zuletzt vorgehalten, es mangele ihm an Spielpraxis, weil er bei seinem Klub Arsenal London meist nur zusehen durfte. Ein Torwart ohne Spielpraxis, hieß es, sei kein guter Torwart, und wenn der Lehmann nun daneben greift, wenn Polen, Kroaten oder möglicherweise sogar Österreicher aufs Tor schießen, dann muss am Ende noch der Bundestag eingreifen und die Kanzlerin retten, was noch zu retten wäre. Nun ist aber alles gut, Lehmann hat wieder Arbeit, sozusagen vorweggenommene Spielpraxis, einem deutschen Triumph bei der Europameisterschaft steht praktisch nichts mehr im Wege.

Es gibt bei diesem Transfer aber noch andere Aspekte zu betrachten. Der VfB Stuttgart, das ist der Klub, bei dem lange Zeit Timo Hildebrand im Tor stand, der seinerseits im vergangenen Jahr in Valencia Spielpraxis sammelte und sich kurze Zeit im Gleichklang mit Lehmann wähnte. Das war bekanntlich ein Irrglauben. Der VfB wiederum verpflichtete für Hildebrand einen Torwart Schäfer, der indes trotz Spielpraxis zu wenig Bälle hielt, weswegen nun Lehmann für ein Jahr geholt wurde. Was das alles kostet?

Es hat andererseits auch niemand behauptet, im Fußball ging es logisch und stringent zu. Anderenfalls hätte Bundestrainer Löw ganz andere Spieler für die EM nominieren müssen, nämlich die von Rheinkassel Langel II, einem Klub der Kreisliga D in Köln. Die lagen am letzten Spieltag der Saison hoffnungslos auf Platz zwei der Tabelle, auf Platz eins stand Germania Nippes, mit gleichem Punktstand, aber einem schier uneinholbaren Vorsprung von 37 Treffern beim Torverhältnis. Germania Nippes gewann auch das letzte Spiel gegen Ditib-Türk 10:0. Womit die Germanen nicht gerechnet hatten, war die unbändige Kampfkraft der Mannen von Rheinkassel-Langel. Die nämlich gewannen 54:1 gegen DJK Löwe II. Nur am Rande: DJK, da steckt der katholische Bundesverband für Sport dahinter, bei der DJK Löwe muss es sich also um sehr gottesfürchtige gebotstreue Kicker handeln, denen Betrug schon eine massive Sünde ist. Zurück zu den Rheinkassel-Langelern. Zur Halbzeit führten sie erst 13:0, was ein Zweithalbzeitergebnis von 41:1 ausmacht. 41:1 in 45 Minuten. Wenn man bedenkt, dass der Ball nach einem Tor auch immer erst wieder zum Mittelkreis gebracht werden muss, bevor die Rheinkassel-Langeler wiederum aufs Tor zustürmen können, muss das eine enorme läuferische Leistung gewesen sein. Zumal die katholischen Löwen der Deutschen Jugendkraft den Rheinkassel-Langeler Rhythmus noch hemmten durch ihr Gegentor.

Ob Germania Nippes jetzt trotz des nun schlechteren Torverhältnisses aufsteigen darf, ist noch nicht abschließend geklärt, ein leiser Betrugsverdacht ist inzwischen aufgetaucht. Wie dem auch sei, mit Jens Lehmann im Tor der Löwen wäre das alles nicht passiert. Fußball ist herrlich.

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