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Auf den Punkt: Gelebte Geschichte

Elisabeth Binder darüber, wie Berlin seinen Kredit als Weltstadt verspielt

Ja, Touristen aus aller Welt lieben Berlin, und das ist auch gut so. Denn die Liebe hilft über manche praktischen Defizite hinweg, die Berlin in einem Metropolentauglichkeitstest aus der gerade in Berlinale-Zeiten gefühlten Weltspitze zurück ins graue Mittelfeld werfen würden. Taxifahrer, die die Worte "Bitte" und "Danke" sowohl in der eigenen als auch in zwei oder drei anderen Sprachen beherrschen und das Prinzip des Lächelns nicht nur aus der Fernsehwerbung kennen, gehören anderswo selbstverständlich zum Metropolenkomfort. Genauso wie die reibungslosen, schienenbetriebenen Zubringer zu internationalen Flughäfen und mehrsprachige Ausschilderungen an Orten, die Touristen gerne frequentieren.

Wer in New York eine größere Restaurant-Rechnung mit Bargeld bezahlt, muss immer damit rechnen, von den Kellnern als möglicher Bankräuber oder Mafia-Pate eingestuft zu werden. Was sonst sollte es für einen Grund geben, mit abgegriffenen Bargeld-Bündeln durch die Gegend zu ziehen? Die Globalisierung hat längst eine neue Liga von gut situierten Business-Nomaden kreiert, die nicht gleich in jedem Land, in dem sie sich für ein paar Stunden aufhalten, in der Wechselstube aufschlagen. Es ist ja anderswo längst üblich und möglich, auch eine Tasse Kaffee mit Kreditkarte zu bezahlen.

Nur in Berlin eben leider nicht. Die japanischen Touristen, die sich bei Peek & Cloppenburg an der Kasse anstellen, um ein paar hundert Euro für die angesagte deutsche Designer-Fashion loszuwerden, begreifen oft gar nicht, wieso ihre Kreditkarte in einem so großen Haus nicht akzeptiert wird. Die Paris Bar, uraltes Stammlokal von internationalen Berlinale-Gästen machte einen Geldautomaten zum Ventil für den Gästefrust, wenn es hieß: "Kreditkarten? Nein danke." Und selbst beim Internationalen Filmfestival, das morgen startet, kann man die Tickets nicht mit Kreditkarten bezahlen. Zum Glück gibt es Handys und Computer. So können sich Amerikaner, die normalerweise praktisch bargeldlos leben, rasch von ihren Großeltern erklären lassen, wie man früher Waren gegen Geld getauscht hat. Living History in Old Europe - auch ein Grund herzukommen.

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