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Auf den Punkt: Ketzer fürs Abendland

Wolfgang Prosinger über die Notwendigkeit des Ethikunterrichts in Berlin

"Wir leben doch im Abendland", sagen sie auf den Berliner Straßen, wenn sie Unterschriften sammeln für ihre Initiative Pro Reli. Und das Abendland habe schließlich christliche Wurzeln. Weshalb es unvorstellbar sei, wenn Kinder in der Schule davon nichts erführen.

Was für ein Kurzschluss. Als wäre unsere Identität, als wären unsere Traditionen ganz ausschließlich religiös geprägt - und nicht auch durch den Widerspruch zur Religion. Abendland am Beginn des 21. Jahrhunderts heißt eben auch Aufklärung, heißt nicht nur Thomas von Aquin, sondern auch Immanuel Kant, meint nicht nur die Heerschar der Heiligen, sondern genauso die Heerschar der Ketzer, die verbrannt wurden, weil sie die herrschende Meinung und die Meinung der Herrschenden nicht teilten. Und Abendland definiert sich auch durch sein Verhältnis zu anderen Kulturen und Traditionen. Seit seinem Beginn in der klassischen Antike bis hin zu globalisierten Zeiten, in denen nicht nur die Wirtschaftsmärkte zusammenrücken, sondern auch die Nationalitäten und mit ihnen die Märkte der Ideen.

Das alles wäre zu lernen in einem Schulfach namens Ethik. Man müsste es ganz dringend erfinden.

Ach so, in Berlin gibt es das schon. Wie wunderbar. Und für alle diejenigen, die dazu noch eine spezielle Unterweisung in ihrem Glauben wollen, gibt es zusätzlich noch den freiwilligen Religionsunterricht. Ein perfektes Konzept.

Das könne man den Kindern doch nicht zumuten, sagen die von der Pro-Reli-Fraktion. Diese Doppelbelastung: Ethik und Religion. Unzumutbar? So wenig ist ihnen Religion also wert.

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