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Dagmar Rosenfeld

© Mike Wolff

Auf den Punkt: Liebe lässt sich nicht erzwingen

Dagmar Rosenfeld über Zwangsbesuche beim eigenen Kind

Die Geschichte ist schnell erzählt: Ein verheirateter Mann hat ein Verhältnis, seine Geliebte wird schwanger, er verlässt sie. Für das Kind, einen Jungen, zahlt er regelmäßig Unterhalt, Kontakt zu seinem Sohn will er aber nicht. Die Kindesmutter aber besteht darauf. Ob zu Recht, darüber verhandelt nun das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Darf der Staat einen Vater dazu zwingen, Kontakt zu seinem Kind zu halten? "Demokratie darf nicht soweit gehen, dass in der Familie darüber abgestimmt wird, wer der Vater ist", das hat Willy Brandt einmal gesagt. Einen Ausspruch, der auch auf der Homepage "Väteraufbruch für Kinder" zu finden ist - einem Männerverein, der für die Rechte von Vätern kämpft und im konkreten Fall der Auffassung ist, dass die Verfassungsrichter sehr wohl einen Zwangsumgang verhängen dürfen.

Demokratie darf aber auch nicht so weit gehen, dass der Staat darüber abstimmt, was ein Vater fühlen soll. Zwar besagt Paragraf 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuches, dass Kinder das Recht haben, ihre leiblichen Eltern und Großeltern regelmäßig zu treffen. Daraus leitete 2004 dann das Oberlandesgericht Brandenburg im Umkehrschluss eine Umgangspflicht der Erwachsenen ab - und so wurde der Vater zu einem Zwangsgeld in Höhe von 25.000 Euro verurteilt, sollte er die regelmäßigen Besuchstermine mit seinem Sohn verpassen.

Alle Instanzen, die sich bisher mit dem Fall beschäftigt haben, waren sich einig, dass es vornehmlich um das Kindswohl gehe. Dabei scheinen sämtliche Beteiligten, allen voran die Mutter, genau das längst aus den Auge verloren zu haben. Da ist ein achtjähriger Junge, der über seinen Vater nicht mehr weiß, als dass der ihn nicht sehen, nicht lieben will. Das ist bitter, traurig und für ihn wohl nur schwer zu begreifen. Wie bitter und unbegreiflich aber muss erst sein, dass seine enttäuschten Gefühle zur Verhandlungssache werden, die in aller Öffentlichkeit diskutiert wird.

Für ein Kind ist es schwer genug, sich damit abfinden zu müssen, ohne Vater - zumindest dem leiblichen - aufwachsen zu müssen. Das braucht Zeit und Zuwendung - von dem Elternteil, das bleibt, nicht von Gerichten. So genannte Experten denken da zum Teil anders: Würden Vater und Sohn sich erst einmal näher kommen - und sei es durch richterlichen Zwang - dann sei die Chance groß, dass sie auch eine Beziehung zueinander aufbauen werden. Sie sehen also in einem Urteil zugunsten der Mutter eine Chance für das Kind. Dabei ist es genau umgekehrt. Für das Kindswohl wäre ein solches Urteil eine verpasste Chance: Die Chance, Zeit zu bekommen, um sich abfinden und auch abschließen zu können. Ein Zwangsumgang würde für den Jungen nicht nur bedeuten, zu wissen, dass er von seinem Vater nicht geliebt wird. Er würde es bei den Treffen auch immer wieder erleben müssen.

Denn eine Lektion hat er in seinem jungen Leben schon früh lernen müssen: Die Liebe ist frei, sie lässt sich nicht erzwingen. Das muss ihm nicht erst durch ein höchstrichterliches Urteil bewiesen werden.

Dagmar Rosenfeld

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