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Auf den Punkt: Normale gute Arbeit

Mathias Klappenbach über die deutsche EM-Taktik

Ein Wunder ist passiert! Der Trainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft hat seine Taktik geändert! Von der Loge aus! Und damit gewonnen, gegen den großen Favoriten mit dem besten Spieler der Welt! Aha. Ist das nicht der Beruf eines Trainers? Seine Mannschaft so einzustellen, dass sie eine Chance hat? Nichts anderes hat Joachim Löw getan, als er vor dem Spiel, also bevor er in seine Loge ging, zusammen mit Chefscout Urs Siegenthaler und Kotrainer Hans-Dieter Flick die neue Taktik für das Spiel gegen Portugal festgelegt hat, die Flick dann von der Bank aus und Löw von der Loge aus betrachten durften. Mit wechselnder Taktik haben bei dieser Europameisterschaft auch schon andere gespielt. Zum Beispiel Kroatiens Trainer Slaven Bilic, der beim Sieg gegen Deutschland ähnlich wie gestern die Deutschen gegen Portugal ganz vorne nur einen Stürmer aufgestellt hat.

Doch Löw hat nicht nur von Kroatien abgeguckt, seine Änderung ist aus einem anderen Grund bemerkenswert. Immerzu betont Joachim Löw, dass er die Mannschaft in „Wenn, dann“-Szenarien vorbereitet. Was machen wir, wenn wir zurückliegen, was machen wir bei einer Roten Karte? Basis war bisher aber immer der Grundgedanke, dem Gegner das eigene System aufzudrücken. Die Frage, was wir machen, wenn der Gegner beim Anpfiff einfach die besseren Spieler auf dem Platz hat, war in dieser Philosophie nicht vorgesehen. Die eigentlichen Änderungen gegen Portugal waren mitnichten ein taktisches Meisterstück, sondern normale gute Arbeit, die mit dem nötigen Glück bei portugiesischen Abwehrfehlern und dem nicht geahndeten Foul von Michael Ballack vor dem Tor zum 3:1 Erfolg gebracht haben.

Die große Leistung Löws und auch des Taktikexperten Siegenthalers, mit dem er sich in der Loge in den Armen lag, besteht darin, die spielerische Unterlegenheit der Deutschen anzuerkennen und als Ausgangspunkt für neue Überlegungen zu nehmen. Wer genau weiß, wo er bei einem solchen Turnier steht, kann es am Ende vielleicht sogar gewinnen. Auch wenn er noch einmal gegen Kroatien spielen muss.

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