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Auf den Punkt: Radikale Offenheit

Andrea Nüsse zu Barack Obamas Rede in Kairo

Visionär, spirituell, sensibel - die Rede von US-Präsident Barack Obama an die muslimische Welt wird in die Geschichtsbücher eingehen. Deutlicher kann man die Abkehr von der Ära Bush, welche die Beziehungen zwischen Muslimen und Amerika ruiniert hat, nicht zelebrieren. Sie wird emotional den von Obama erhofften Neuanfang markieren.

Obama hat die Herzen der Menschen erreicht, indem er mehrfach den Koran zitiert und den Namen des Propheten Muhammed - wie bei Muslimen üblich - mit dem Zusatz "Friede sei mit ihm" versah. Mehrfach verteidigte er das Tragen des muslimischen Schleiers als Teil der Religionsfreiheit. Er erwähnte das Almosengeben, eine der fünf Säulen des Islam. An diesen Stellen gab es erwartungsgemäß großen Applaus beim Publikum in der Kairoer Universität. Aber neu und zukunftsweisend ist vor allem die radikale Offenheit, mit der Obama die Probleme zwischen Amerikanern und muslimischen Nationen sowie in der Region ansprach. Insbesondere im Nahostkonflikt, wo er unmissverständlich aufzählte, was von Israel, den Palästinensern, der Hamas und den arabischen Staaten gefordert ist. Keine schwammigen Formulierungen und vor allem: Gleiche Härte gegenüber allen Konfliktparteien.

Das wird vor allem in Israel einen Schock auslösen. Aber nur auf diese Weise kann Amerika in Nahost wieder glaubhaft als Vermittler auftreten. Und Obama hat auch die Demokraten in der Region nicht enttäuscht: Rituelle Wahlen allein machen keine Demokratie aus - der Adressat ist auch Gastgeber Hosni Mubarak, den der US-Präsident noch am Morgen freundschaftlich umarmt hatte. Es wird auch in Zukunft politischen Dissens zwischen der US-Regierung und der Region geben. Aber wenn die US-Politik in der muslimischen Welt sich künftig wirklich an den Prinzipien von Respekt und gleichen Standards für alle orientiert, die Obama in seiner Rede festgelegt hat, markiert der 4. Juni 2009 einen wirklichen Neuanfang.

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