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Malte Lehming

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Sind so viele Opfer

Malte Lehming über Amerika, deutsche Juden und den Terror

Am 11. September 2001 griffen Osama bin Laden und seine Terrorbande Al Qaida die Vereinigten Staaten von Amerika an. Bin Laden ist ein emanzipationsfeindlicher, religiöser Totalitarist. Amerika gilt als Symbol der Emanzipation, der Meinungsfreiheit und des Pluralismus. Dafür wird das Land gehasst, diesem Symbol galt der Angriff. Seitdem wird im Westen an jedem 11. September der Opfer der Anschläge gedacht. In diesem Jahr veranstaltet die US-Botschaft in Berlin ihre Gedenkfeier zusammen mit der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und der Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum. Die Frage sei erlaubt: Warum? Was macht den 11. September 2001 zu einem speziell jüdischen Trauertag?

Die Frage klänge banal, wäre sie nicht so ernst. In einer ersten Annäherung könnte die Antwort lauten: Terror ist Terror. Jeder Terrorist zielt auf Unschuldige. Insofern haben Amerikaner im Jahr 2001 erlitten, was Israelis schon oft erlitten haben und wovor Juden in aller Welt sich fürchten müssen. In diesem Sinne wäre die Gedenkfeier zu verstehen als ein Zusammenschluss verschiedener potenzieller Terroropfer. Doch seit langem schon sterben mehr Muslime - wie jüngst in Algerien bewiesen und ständig im Irak und in Afghanistan - durch Anschläge militanter Islamisten als Juden oder Christen. Den Fakten und der Logik zufolge müsste die US-Botschaft also auch eine Gedenkfeier in einer Moschee erwägen, nach dem Motto: den wahren Glauben gegen dessen Missbrauch und Instrumentalisierung verteidigen!

Oder die US-Botschaft müsste die "Emma"-Redaktion einladen, weil schließlich im Weltbild Osama bin Ladens von der Gleichberechtigung der Frauen eine größere Bedrohung ausgeht als von "den Zionisten". Das eine wie das andere wird die US-Botschaft wohlweislich unterlassen, denn der Angriff vom 11. September 2001 galt weder Frauen noch Juden, weder Muslimen noch Christen, sondern der Freiheit, der Demokratie, der Emanzipation und dem individuellen Streben nach Glück.

Das aber vernebelt die jetzt geplante Gedenkveranstaltung. Statt dessen suggeriert sie, was Antisemiten und Antiamerikaner gleichermaßen behaupten: Zwischen Amerika und Israel gibt es eine ewige Freundschaft, eine Art unheilige Allianz zum Nachteil der Araber, gesteuert durch mächtige jüdische Lobbygruppen in den USA. Die Post-festum-Solidarität mutmaßlicher Opfer impliziert, dass Amerika für die Sünden Israels büßen kann. Die Gedenkveranstaltung zementiert Vorurteile, unabsichtlich zwar, aber das macht die Sache nicht besser. Das nächste Mal: Erst denken, dann gedenken bitte!

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