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Lorenz Maroldt

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Spiel durch die Mitte

Lorenz Maroldt über Angela Merkels Passgenauigkeiten

Ob Angela Merkel eine Strategie hat? Einiges spricht dagegen. Obwohl die SPD so brutal abschmiert wie noch nie in ihrer langen, stolzen Geschichte, kann die Union davon nicht profitieren. Schlimmer noch: Sie verzettelt sich in nahezu allen aktuellen Fragen. Zwischen CDU und CSU kommt es zum offenen Streit.

Also wieder Zeichen von Führungsschwäche. Oder? Falls Merkel eine Taktik hat, kommt man dieser vielleicht über eine Leidenschaft der Kanzlerin auf die Spur: Fußball. Der Süddeutschen Zeitung hat sie gerade ein großes, bemerkenswertes Interview dazu gegeben. Sie ist darin kundig, belesen, erfahren, wie auch in der Politik, und wirkt dabei sehr sympathisch. Ganz anders als etwa Gesine Schwan, die nicht einmal weiß, wann die letzte WM war und auch noch stolz darauf ist. Sie hält Desinteresse an Fußball wohl für ein Zeichen besonderer Intellektualität.

Solche Probleme hat Merkel nicht. Sie plaudert ganz unbefangen drauflos, erzählt, wie sie 1974 in Leipzig das Länderspiel der DDR gegen England gesehen hat und sagt: "Ich schimpfe zu Hause vor dem Fernseher mehr als im Stadion, weil ich dort unter Beobachtung stehe. Und ich möchte nicht gleich als Kronzeugin herangezogen werden, wenn es mal nicht so gut läuft."

So macht sie es in der Politik aber auch. Und das ist schon ein Problem. Vermisst wird immer mal wieder ein Machtwort: Basta! Aber: Ohne Machtwort zur richtigen Zeit kommt kein Team-Manager aus und auch keine Bundeskanzlerin.

Über Schiedsrichter sagt sie, diese seien eine "in der Demokratie ungewöhnlich herausragende Erscheinung, weil sie viele Vollmachten haben". Und sie beobachtet interessiert: "Wie lange man zum Beispiel Vorteil laufen lässt und dadurch natürlich einen impliziten Einfluss auf das Spiel hat; ob ein Schiedsrichter Nerven hat und dem Spielfluss Priorität einräumt; zu welchem Zeitpunkt er das erste Mal hart eingreift und damit auch den Ordnungsrahmen für ein Spiel setzt und vieles mehr."

Das beschreibt aber auch ziemlich genau ihren Führungsstil: Beobachten, analysieren, antizipieren. Das Problem dabei: Sie lässt manchmal etwas zu lange laufen und ermuntert damit zu Disziplinlosigkeiten, zuweilen auch zu üblen Fouls.

Und noch eins: Auf die Frage, ob Deutschland Europameister werden kann, sagt sie: "Im Bereich des Möglichen ist das nach meiner Beurteilung durchaus. Ich warne aber davor, dies als Selbstverständlichkeit zu betrachten."

Da ist wie Hosenträger zum Gürtel tragen, doppelt und dreifach abgesichert. Eine Taktik, die ihr nutzt, aber nicht ihrem Team. Sie ist damit von Löws Angriffsordnung soweit entfernt wie von Rudis Rumpelfußball.

Merkel selbst sieht gut aus, aber die Union steht genauso schlecht da wie nach der Bundestagswahl. Kein Wunder, nach all den rasanten Richtungswechseln, dem Gependel zwischen neoliberal und sozialliberal. Eine Heimat für beinharte Konservative ist die CDU nicht mehr so ohne weiteres. Denn Merkel will die Mitte. Mitte ist Merkels offizielle Werbebotschaft. Aber nach vorne nur durch die Mitte ist das Spiel von gestern. Ohne Flügel geht es nicht. Und auch nicht ohne klares Ziel.

So gesehen ist Merkel auf dem Stand von "Big" Ron Atkinson: "Ich wage mal eine Prognose: Es könnte so oder so ausgehen." Und ein bisschen Paul Gascoigne ist auch dabei: "Ich mache nie Voraussagen und werde das auch niemals tun." Merkels nächstes Endspiel ist 2009. Es ist Zeit für ein Trainingslager, um die Mannschaft einzuspielen. Als Fußballfan wird sie das wissen.

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