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Moritz Döbler

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Verdi in der Südsee

Moritz Döbler über den "Fall Bsirske"

Da hat ja der Großgewerkschafter Frank Bsirske gerade noch einmal Glück gehabt. Der Streik ist aus, er muss nicht in der Südsee bleiben, sondern kann pünktlich erster Klasse zurück in die Heimat fliegen. There is no better way to fly - der Werbeslogan der Lufthansa kriegt eine ganz neue Qualität. Besser als gratis geht nicht, ganz klar.

Der Fall Bsirske ist - sofern die schmutzigen Details sich als wahr erweisen - auf mehreren Ebenen verwerflich. Es ist eine Sache, wenn jemand in Ausübung seiner Funktion auf Kosten anderer auf großem Fuße lebt. Man sieht es zwar nicht gerne, wenn sich Betriebsräte am Rande von Veranstaltungen ihres Unternehmens an erlesenen Büffets laben und ihre müden Häupter auf Damastkissen betten. Arbeiterführer in Nadelstreifen sehen auch seltsam aus. Aber es geht in Ordnung, weil es zum Job gehört.

Bsirske aber soll ohne jeden beruflichen Hintergrund in die Südsee geflogen sein, und nicht nur ließ er sich offenbar sein eigenes Ticket bezahlen, sondern das seiner Frau gleich dazu. Einem stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden, wie er einer ist, mag das formal zustehen. Aber dem Führer der zweitgrößten deutschen Gewerkschaft, der nur wegen dieser Funktion überhaupt im Aufsichtsrat der Lufthansa sitzt, eben nicht.

Verdi-Chef Bsirske handelt mindestens unmoralisch und möglicherweise sogar ungesetzlich. Ein Sumpf aus vermeintlich legalen Vergünstigungen und illegalen Handlungen ist gerade erst bei Volkswagen trockengelegt worden. Was dem Betriebsrat Klaus Volkert - längst zurückgetreten und verurteilt - der Puff war, ist Bsirske die Südsee.

Oder erinnert sich jemand noch an Franz Steinkühler? Vor 15 Jahren trat er als IG-Metall-Chef zurück, weil er verdächtigt wurde, seine Position als Daimler-Aufsichtsrat unzulässig für Aktiengeschäfte ausgenutzt zu haben. Seitdem ist er weg vom Fenster, natürlich.

Ja, es ist so: Macht korrumpiert. Es fühlt sich sicher gut an, wenn man als kleiner Werkzeugmacher (Steinkühler), Schmied (Volkert) oder auch Berufsgewerkschafter (Bsirske) irgendwann am Tisch der ganz Großen sitzt. Der Grat ist schmal, das Dilemma groß. Werden Arbeitnehmerinteressen nur professionell vertreten, wenn man wie der Porsche fahrende Porsche-Konzernbetriebsratsvorsitzende Uwe Hück betont markig auftritt, oder macht man sich gemein mit der Gegenseite?

Darum geht es. Es sind Grundsatzfragen der deutschen Mitbestimmung berührt. Als Konsensmodell wird sie gerühmt, doch der Gegensatz von Arbeit und Kapital lässt sich nicht überwinden. Oder ganz konkret: Ist der Streik bei der Lufthansa gar deswegen so schnell zu Ende gegangen, weil Bsirske dank seines gesponserten Südseeurlaubs milde gestimmt war? Erkaufte Zustimmung, ziemlich billig noch dazu? Schon der Anschein wäre - auch angesichts seines sonst so kämpferischen Auftretens - untragbar.

Dass die Lufthansa bei dem Tarifabschluss schlecht weggekommen wäre, kann man jedenfalls nicht behaupten: Er ist niedriger als von dem Unternehmen befürchtet, und die Laufzeit ist fast so lang wie von ihm gewünscht. So sieht es auch die Börse, der Aktienkurs machte einen deutlichen Sprung nach oben.

Lufthansa hat gewonnen, Bsirske hat verloren, in jeder Hinsicht. Überhaupt, was sind das eigentlich für Gewerkschafter, die entspannen, während die Kollegen streiken? Doch auch da ist Bsirske kein Vorreiter, den Lokführer-Anführer Manfred Schell zog es seinerzeit an den Bodensee (das zahlte die Krankenkasse). Solche Gewerkschaftsbosse muss man dahin wünschen, wo der Pfeffer wächst. In die Südsee zum Beispiel.

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