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Auf den Punkt: Verhinderte Politik

Gerd Appenzeller zum Gelöbnis vor dem Reichstag

Vielleicht wäre es doch besser gewesen, das Grünflächenamt des Bezirks Mitte hätte sich mit seinem Verbot des Gelöbnisses auf dem Platz der Republik durchgesetzt. Aber nun haben höhere politische Instanzen dem Rekruteneid auf die Verfassung eine größere Wertigkeit beigemessen als der Erhaltung der Grashalme vor dem Reichstag - und prompt macht sich die Politik am 20. Juli so rar, als fürchte sie sich wenn schon nicht in die Nesseln dann wenigstens ins Gras zu setzen. Die Kanzlerin kann nicht, der Bundestagspräsident ist verhindert, der Bundesratspräsident auch, der Regierende Bürgermeister bereitet sich in einem Kurzurlaub auf die Visite Barack Obamas vor, und außer dem Verteidigungsminister haben alle anderen Kabinettsmitglieder unausweichliche Ferien- und andere Pflichten.

Die Rekruten, die am Sonntag vereidigt werden, müssen vielleicht bald ihr Leben und ihre Gesundheit bei einem Bundeswehreinsatz riskieren. Es ist die Politik - genau gesagt: der Deutsche Bundestag -, die die Vorgaben solcher Einsätze macht und deren Grenzen aufzeigt. Dieses Land ist nicht militaristisch und wird es auch nie wieder werden. Gerade deshalb ist die Bundeswehr ein Teil des Volkes und kein Fremdkörper. Trotzdem sagen ihre Gegner vor dem öffentlichen Gelöbnis, die Bundeswehr gehöre in die Kaserne. Was sie wirklich wollen: Die Bundeswehr soll sich verstecken, die Straße den Demonstranten überlassen.

Haben die Politiker, die unter teilweise fadenscheinigen Begründungen dem Gelöbnis fern bleiben, Angst vor den Demonstranten? Manchmal wird die Freiheit dieses Landes nicht am Hindukusch verteidigt, sondern nur auf dem Platz der Republik. Selbst dazu gehört offenbar ein bisschen Mut.

Gerd Appenzeller

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