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Malte Lehming

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Wiederdeutschwerdung

Malte Lehming über deutsche Juden, Patrioten und Felicia Langer

Der Hauptmann Leo Löwenstein gründete im Februar 1919 den "Reichsbund jüdischer Frontsoldaten". Etwa 85.000 davon kämpften im Ersten Weltkrieg für die Heimat, rund 12.000 starben den "Heldentod fürs Vaterland". Im August 1914 veröffentlichte der "Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens", in dem sich die Mehrheit der deutschen Juden organisiert hatte, einen entsprechend patriotischen Aufruf: "Dass jeder deutsche Jude zu den Opfern an Gut und Blut bereit ist, die die Pflicht erheischt, ist selbstverständlich. Glaubensgenossen! Wir rufen Euch auf, über das Maß der Pflicht hinaus Eure Kräfte dem Vaterlande zu widmen!" Und Hauptmann Löwenstein gab noch 1932 ein Gedenkbuch des "Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten" heraus, in dem er einleitend schrieb: "Das edelste deutsche Blut ist das, welches von deutschen Soldaten für Deutschland vergossen wurde. Zu diesen gehören auch die 12.000 Gefallenen der deutschen Judenheit, die damit wiederum ihre allein ernsthafte und achtunggebietende Blutprobe im deutschen Sinne bestanden hat."

In diesen Tagen besteht die deutsche Judenheit eine ganz andere Probe. Sie zeigt, dass sie seit Löwensteins Tagen nie deutscher war als heute. Tapfer und über das Maß der Pflicht hinaus kämpft sie für das Ansehen ihres Vaterlandes in Form der höchsten Auszeichnung, die es vergeben kann, dem Bundesverdienstkreuz. Diese Auszeichnung zu beschmutzen, empfinden sie als Anschlag auf die eigene Würde, als eine Art symbolischen Ehrenmord. Sie schimpfen über einen "Skandal", wollen "weiteren Schaden vom Land abwenden", der "Zentralrat der Juden" protestiert ebenso wie das "American Jewish Committee", zwei Holocaust-Überlebende, die selbst das Bundesverdienstkreuz bekamen, Arno Lustiger und Ralph Giordano, drohen ultimativ mit dessen Rückgabe. Immer neue Salven feuern die Kanoniere auf eine Spätzin ab.

Die Spätzin heißt Felicia Langer, ist Anwältin und so genannte Menschenrechtsaktivistin, eine in Polen geborene Holocaust-Überlebende, die der Fachwelt bislang vor allem dadurch aufgefallen war, dass sie ziemlich viel Unsinn über Israel erzählt. Vor allem für Letzteres wurde sie vor kurzem, wie rund 240.000 andere Personen seit 1951, mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Nun kann man von solchen Auszeichnungen halten, was man will (am besten, man nimmt sie gar nicht erst an, wie etwa Helmut Schmidt). Falls man sich dennoch mit ihnen befasst, muss die Frage erlaubt sein: Was erklärt die Leidenschaft, die Verve, den Furor? Warum dreht einer, der den Holocaust überlebt hat, bei dem Gedanken durch, eine überkandidelte ältere Frau bekommt von einem deutschen Staatssekretär, mit Billigung eines grünen Bürgermeisters, in der Provinzstadt Tübingen ein Stück Blech ausgehändigt?

Vor ein paar Jahren hätten kritische Kräfte in diesem Land einen solchen Vorgang eher lakonisch kommentiert. Denn in der Tat hat sich Felicia Langer um Deutschland ja außerordentlich verdient gemacht. Immerhin sehen 65 Prozent der Deutschen, laut einer Meinungsumfrage der EU-Kommission, in Israel die größte Gefahr für den Weltfrieden, auf den Plätzen zwei und drei: Iran und Nordkorea. Eine Studie des Pew Research Centers in Washington DC wiederum weist rund ein Viertel der Deutschen als antisemitisch aus. Und es ist Deutschland, wo ein Filbinger, Kiesinger und Möllemann bis ganz nach oben kommen. Es ist Deutschland, wo eine Partei, die sich als außenpolitischen Sprecher Norman Paech leistet, fröhlich im Bundestag sitzt und die Bundeshauptstadt mitregiert.

Um dieses Deutschland hat sich Felicia Langer sogar mehr als verdient gemacht. Deshalb sollte sie das Bundesverdienstkreuz nicht nur behalten dürfen, sondern nach noch Höherem streben. Ihr Vorbild könnte die deutsche Schriftstellerin Luise Rinser sein. Sie hatte einst an den Vater der RAF-Terroristin Gudrun Ensslin geschrieben: "Gudrun hat in mir eine Freundin fürs Leben gefunden". Dann reiste sie nach Nordkorea, dessen Regime sie bewunderte, pries den iranischen Revolutionsführer Ajatollah Ruhollah Chomeini als "leuchtendes Vorbild für die Länder der Dritten Welt", bekam 1977 das Bundesverdienstkreuz - und wurde 1984 von den Grünen als Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten vorgeschlagen. Leider unterlag sie dann Richard von Weizsäcker. Aber davon darf Frau Langer sich nicht entmutigen lassen.

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