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Meinung: Auf den Wind ist kein Verlass

So dreht sich der Wind. Als der Tolerierungspartner PDS vor vier Monaten noch als unsichtbarer Dritter mit am rot-grünen Koalitionstisch saß, wurde angesichts der Krankenhauskosten vor allem das Universitätsklinikum Benjamin-Franklin in West-Berlin als Streichkandidat genannt.

So dreht sich der Wind. Als der Tolerierungspartner PDS vor vier Monaten noch als unsichtbarer Dritter mit am rot-grünen Koalitionstisch saß, wurde angesichts der Krankenhauskosten vor allem das Universitätsklinikum Benjamin-Franklin in West-Berlin als Streichkandidat genannt. Nun möchte die SPD lieber das Klinikum Charité in Ost-Berlin zu einem normalen Krankenhaus machen. Das zeigt, mit welch argumentativer Schärfe und eingehender Analyse in Berlin die Debatte um ein zukunftsträchtiges Gesundheitswesen geführt wird.

Die Probleme sind drängend. Die Krankenkassen kritisieren seit Jahren, dass Berlin zu viele und zu teure Krankenbetten in der Hochleistungsmedizin hat. Bislang erfolglos. Auf Druck der Kassen hat die Landesregierung dagegen endlich die städtischen Krankenhäuser unter dem Dach einer privatwirtschaftlichen Gesellschaft zusammengefasst. Für die ansonsten oft gescholtene SPD-Gesundheitssenatorin Gabriele Schöttler ein Erfolg.

Das war ein Kraftakt. Aber er reicht nicht. Bei der Sanierung des Landeshaushalts wird auch im Gesundheitsbereich weiter gespart werden müssen, die bislang kaum betroffenen Universitätsklinika eingeschlossen. In den Parteien wächst die Überzeugung, das sich Berlin keine zwei davon mehr leisten kann. Nur: Welches ist zuviel? Ob Benjamin-Franklin oder Charité: An beiden Standorten sind in den nächsten Jahren große Investitionen nötig, um auf dem Stand der medizinischen Forschung zu bleiben. Die Charité benötigt rund 800 Millionen Mark für einen neuen Bettentrakt, das Klinikum Benjamin Franklin hat ebenfalls einen hohen Modernisierungsbedarf. In die traditionsreiche Charité sind andererseits seit dem Mauerfall schon 1,5 Milliarden Mark investiert worden, das hochmoderne Virchow-Klinikum wurde ihr angegliedert.

Entscheiden muss der neue Senat, gegen die jeweilig Betroffenen, mit nachvollziehbaren Argumenten. Die fehlen noch. Gegenwärtig prüft die SPD mit ihrem Vorschlag nur, wie der Wind steht - in der Stadt und bei den Koalitionspartnern FDP und Grünen. West-Standort Benjamin-Franklin gegen den Ost-Standort Charité? Ein Ost-West-Konflikt? So einfach kann sich das zwölf Jahre nach dem Mauerfall keiner mehr machen.

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