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Meinung: Auf der Anklagebank

Erstmals in der Berliner Nachkriegsgeschichte steht ein Finanzsenator vor Gericht. Wegen Untreue – in Sachen Tempodrom.

Erstmals in der Berliner Nachkriegsgeschichte steht ein Finanzsenator vor Gericht. Wegen Untreue – in Sachen Tempodrom. Die SPD/PDSKoalition will ihn trotzdem halten. Ob sie damit richtig liegt, ob sie das durchhält, ist auf den ersten Blick nicht zu entscheiden. Zu filigran ist die Argumentation der Ankläger, als dass sich klar sagen ließe: Die Ermittler haben Recht. Die Rettungsaktion zugunsten des Tempodrom, mit der sich das Landgericht befassen muss, ist – juristisch und finanzpolitisch – ein Fall für Feinschmecker. Und so lange kein Urteil gefällt ist, gilt die Unschuldsvermutung auch für Sarrazin. Allerdings stellt sich die Frage, ob nicht schon die Anklage, so umstritten sie sein mag, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Finanzsenator nachhaltig untergräbt. Sollte es so kommen, wird Sarrazin wohl gehen müssen. Derweil haben sich die parlamentarischen Aufklärer der Tempodrom-Affäre, wie fleißige Archäologen, in die zweite und dritte Ausgrabungsschicht vorgearbeitet. Es rundet sich das Bild von dem, was zuerst ein schönes Kulturprojekt war und dann zum Skandal geworden ist. Dafür sind in erster Linie jene Politiker verantwortlich, die das Tempodrom um jeden Preis bauen wollten. Darüber hinaus kommt allmählich ans Tageslicht, dass die beteiligten Senatsbehörden und Banken mit der Kontrolle und finanziellen Förderung des komplizierten Bauvorhabens – vom Vorstand bis zum Referatsleiter – hoffnungslos überfordert waren. Das erschüttert das Vertrauen in wichtige Institutionen der Stadt. Gerade deshalb muss die Tempodrom-Affäre rückhaltlos aufgeklärt werden. za

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