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Meinung: Auf nach Amsterdam!

Die erste Reise des neuen Kanzlers sollte in die Niederlande führen

Von Christoph Bertram Wohin die erste Reise gehen soll? Ganz einfach: nach Amsterdam.

Am liebsten bliebe der/die nächste Kanzler/in natürlich erst einmal zu Hause. Nicht Außenpolitik stand im Mittelpunkt der Wahl, sondern der innere Zustand des Landes. Aber vielleicht sehnt er/sie sich auch im Anschluss an den Wahl und Koalitionsmarathon nach ein bisschen Entspannung. Das bieten Auslandsreisen schon am ehesten. Vor allem aber kann die erste Reise dazu dienen, eine neue außenpolitische Handschrift anzuzeigen.

Die erste Auslandsreise ist nicht irgendeine Reise, sondern ein Signal. Wenigstens wird es von eifrigen Beobachtern in Kanzleien und Redaktionen so bewertet. Und weil das so ist, bietet der Zielort eben auch dem Kanzler die Chance, einen außenpolitischen Pflock einzuschlagen. Wohin er/sie die erste Reise antritt, ist deshalb ein Politikum höchsten Ranges Nur: es muss schon die richtige Message sein. Einen Freischuss gibt es nicht.

Und hier beginnt die Qual der Entscheidung. Washington geht nicht, weil es anbiedernd wirken könnte, die Amerikaner reden sich ohnehin zu Unrecht ein, mit Merkel würden die Deutschen handzahm. Nach Moskau? Geht auch nicht, das würde das Misstrauen der Osteuropäer nur zusätzlich anstacheln. London? Würde in Frankreich als Liebesentzug gewertet. Paris? Nicht nur wenig originell, sondern könnte auch als Einmischung in den schwelenden Machtkampf zwischen den Erben Chiracs gewertet werden. In Warschau ist Wahlkampf, deshalb trotz prinzipieller politischer Korrektheit auch kein guter Ort.

Rom? Zu katholisch. Athen? Zu sonnig. Madrid? Schröder-Country. Brüssel: zu international. Stockholm oder Kopenhagen: kein Signalgehalt.

Anstatt das falsche Signal zu vermeiden, muss der neue Kanzler sich fragen, was er wirklich als Symbol des Neuanfangs überbringen will. Am besten dies: Deutschland muss wieder von den kleineren EU-Staaten als vertrauter Partner empfunden werden, ein Pfund, mit dem die Republik früher einmal wuchern konnte. Es wäre auch heute hilfreich, um alte Irritationen zu überwinden, Engagement für die europäische Integration zu demonstrieren und für die anstehenden EU-Entscheidungen gemeinsame Positionen aufzubauen.

Welcher Ort auf der europäischen Landkarte käme für dieses Signal am besten infrage? Kleinere Länder als Deutschland gibt es genug. Litauen oder Lettland? Das könnte für Russland zu demonstrativ sein, den Besuch kann – und muss – man später vornehmen. Österreich? Da wäre manches zu reparieren. Aber das Signal würde kaum über den deutschsprachigen Teil Europas hinauswirken.

Deshalb also Amsterdam. Die Niederlande haben einen guten Ruf in Europa und sind darüber hinaus Gründungsmitglied der EU. Holland bezeichnet sich kokett gern als den Kleinsten unter den Großen in der EU und den Größten unter den Kleinen. Es wären also zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Zudem hat mancher barsche Ton aus Berlin die Niederländer in der Vergangenheit zu Recht gestört und damit vielleicht auch zur Ablehnung des Verfassungsvertrages im Juni beigetragen. Hier kann ein ostentativer erster Besuch aus Berlin einiges gutmachen, vielleicht sogar den Weg für einen Ausweg aus der Verfassungsklemme anbahnen.

Und Amsterdam wie Den Haag, Hauptstadt und Regierungssitz der Niederlande, sind sehr reizvolle Städte. Das jedoch darf kein Kriterium sein. Es ist eben kein reines Vergnügen, als Kanzler zu reisen, zumindest nicht zum ersten Mal!

Der Autor beendet in wenigen Wochen seine Tätigkeit als Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die er seit 1998 ausübte, und folgt einem Ruf als Gastprofessor an das Bologna Center der amerikanischen John-Hopkins-Universität.

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