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Meinung: Aufbau Ost - aber wie?: Schröder lernt die Lektion Kohl

Eine Eigenschaft ist bei Gerhard Schröder bekanntlich besonders ausgeprägt: Er erfasst Stimmungen sehr schnell und richtet seine Politik danach aus. Jetzt gerade lenkt er seine Aufmerksamkeit auf die ostdeutschen Bundesländer.

Eine Eigenschaft ist bei Gerhard Schröder bekanntlich besonders ausgeprägt: Er erfasst Stimmungen sehr schnell und richtet seine Politik danach aus. Jetzt gerade lenkt er seine Aufmerksamkeit auf die ostdeutschen Bundesländer. Denn dort bleibt die Arbeitslosigkeit auch im elften Jahr der Einheit sehr hoch. Von einem wirtschaftlichen Aufschwung sind die meisten Regionen östlich der Elbe noch weit entfernt. Folglich ist die Stimmung nicht gut, der Kanzler wünscht sie sich besser. Da ist was zu tun.

Da wäre was zu tun - aber im Kanzleramt hat offensichtlich noch keiner neue Ideen. Aufschwung und neue Industrien lassen sich nicht staatlich verordnen. Auch großzügigste Hilfen müssen verpuffen, wenn die Investitionen sich am Markt nicht rechnen. Hoffnungslos ist die Lage nicht: Die Erfolge der Aufholjagd sind nicht zu übersehen. Leicht wird es für den Kanzler dennoch nicht, beim Aufbau Ost den Optimismus zu wecken, den er sich wünscht; den er auch braucht, um voranzukommen. Selbst wenn Schröder die Entwicklung der neuen Länder demonstrativ zur "Chefsache" erklärt hat - wirklich nahe ist ihm der Osten bis heute nicht.

Womit wir aber wieder bei seiner Stärke wären: Schröder hat erfasst, dass er etwas für die neuen Länder tun muss. Denn dort wird 2002 entschieden, ob Rot-Grün weiterregieren kann. Der Erfolg der SPD in den neuen Ländern mit zahlreichen Überhangmandaten im Bundestag hat der rot-grünen Koalition 1998 ihre komfortable Mehrheit beschert. Und die Wähler im Osten sind wechselwilliger, ja sprunghafter als die im Westen. Mag sein, dass die Wahl im Osten nicht gewonnen wird - Schröder kann sie dort verlieren: Wer enttäuscht ist, wendet sich ab. Schröder hat die Lektion Kohl gelernt.

Nur steht der Kanzler damit nicht allein. Auch die anderen Parteien entdecken plötzlich wieder Ostdeutschland. Kurz zuvor die FDP, die mit ihrer Generalsekretärin Cornelia Pieper an die zweistelligen Ergebnisse des letzten Jahrzehnts anknüpfen will, die Ausweis waren für die Euphorie der Einheit. Noch ist die Konkurrenz schwach - aber sie belebt dennoch.

Ob sich das in harter Münze auszahlt? Bis zum Sommer wollen Bund und Länder den Solidarpakt II vereinbart haben. Der Finanzausgleich zwischen den Ländern untereinander und zwischen dem Bund und den Ländern muss die weiter notwendige Hilfe für den Aufbau Ost langfristig sichern - und dazu gibt es keine Alternative, wenn der Osten nicht dauerhaft Armenhaus der Republik sein soll. Reicht es da aus, die alten Hilfen auf hohem Niveau zu halten? Schröder ahnt, dass er die Stimmung auf diese Weise nicht zu seinen Gunsten wenden kann: Bis 2004 - dann läuft der Solidarpakt I aus - wird er zusätzliche Hilfen geben.

Doch weiß keiner, was Schröder konkret plant. Die Sozialdemokraten in der Partei präsentieren sich vielstimmig, die Ost-Granden in der SPD-Fraktion sind zerstritten. Als Machtfaktor, der Einfluss nehmen könnte, spielen sie keine Rolle. Der SPD-Vorstand warnt sogar vor Schnellschüssen zugunsten der neuen Länder. In dem Durcheinander fehlt eines: Schröders Basta. Damit könnte er diesmal nicht nur Grenzen setzen, sondern zugleich eine Richtung anzeigen.

Praktisch bedeutet das, sich mit den Fraktionschefs Peter Struck und Rezzo Schlauch (Grüne) an die politische Bastelarbeit zu machen. Bedenke das Ende: Effektiv müssen die Hilfen sein - aber ohne den Sparkurs zu gefährden. Die Milliarden, die die PDS fordert, könnte der Kanzler selbst dann nicht aufbringen, wenn er wollte. Sein Vorschläge müssen bescheidener bleiben: Die erfolgreiche Initiative "Innoregio", mit der Forschung und Unternehmen regional vernetzt werden, die dürfte zum Beispiel aufgestockt werden. Ideen gäbe es schon einige. Am 10. Mai wird Schröder mit den ostdeutschen SPD-Ministerpräsidenten sprechen. Das reicht, um noch vor der Sommerpause ein Angebot zu machen. Mindestens symbolisch.

Eines können Kanzler und Regierung auch mit zusätzlichem Geld nicht erreichen: das Wunder blühender Landschaften. Ein paar Farbtupfer mehr, die schon. Das hebt die Stimmung. Immerhin will Schröder ja im August wieder durch die neuen Länder reisen.

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