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Meinung: Aufbauen, nicht verbauen

Ein halbes Infrastrukturministerium soll es für den Osten geben – Bauprojekte allein sind aber keine Hilfe

Von Robert von Rimscha

Im Wahlkampf gab es einen SPD-Minister, der neben Gerhard Schröder in den Fernseh-Spots auftreten durfte: Hans Eichel. Außer den Kollegen Schily und Fischer von den Grünen war er der einzig herzeigbare Minister. Im neuen Kabinett wird alles anders. Eichel gerupft, Clement als neues Schwergewicht, Fischer und Schily als Konstanten, was die Hauptressorts angeht: So sieht es derzeit aus. Und es scheint eben nicht so, als solle durch ein Infrastrukturministerium, also die Zusammenfassung der Aufgaben Bau, Verkehr und Aufbau Ost, ein weiteres Schwerpunktressort gezimmert werden.

Aus zwei mach eins: Clement beerbt Müller und Riester. Aus eins mach zwei: Dies soll wohl für Kurt Bodewig gelten. Doch macht es Sinn, Bau und Aufbau Ost zusammenzubinden, den Verkehr aber abzukoppeln? Ist die Fusion zweier Ministerien an der einen Stelle und die Spaltung eines bestehenden Hauses andernorts wirklich durchdacht?

Der Osten muss weiter aufgebaut werden, aber mit Steinen, Zement und Mörtel hat dies vor allem dort etwas zu tun, wo die August-Flut ihre enormen Schäden hinterließ. Strukturell sind die neuen Länder mit Industrieparks, Neubau-Wohngegenden, renovierter Platte und sanierten Innenstädten nicht unter-, sondern überversorgt. Was weithin fehlt, ist nicht die bauliche Infrastruktur, sondern die Nutzung. Bedarf an Wohnraum schwindet, wenn Hunderttausende gen Westen ziehen. Bedarf an Produktionsstätten fehlt, wenn Industrie und Handwerk darnieder liegen. Das Problem des Ostens der Republik ist ja nicht, dass zu wenig gebaut wurde, sondern dass – oft durch hanebüchene Subventionen und Abschreibungsmöglichkeiten angeschoben – viel zu viel und oft das falsche bereitgestellt wurde.

Aufbau Ost und Bauen – das klingt nach Gleichklang, ist es aber nicht. Die andere Hälfte des Bodewig-Ministeriums, Verkehr, hat eine größere Schnittmenge mit der Hilfe für die neuen Länder, denn bei der Verkehrsinfrastruktur bestehen weiter Lücken. Aber auch hier gilt: Der entscheidende Punkt muss der Bedarf sein. Da besaß der Unions-Ansatz, Lothar Späth zum Minister für Wirtschaft, Arbeit und Aufbau Ost zu machen, schon mehr innere Logik.

Leipzigs Oberbürgermeister Tiefensee ist ministrabel. Außerdem bräuchte die SPD nach dem Ausscheiden von Familienministerin Bergmann einen Ost-Vertreter im Kabinett – wahrscheinlich der einzige, wenn nicht das Familienministerium noch eine Nachfolge aus dem Osten bekommt. Noch ziert sich Tiefensee, doch er wird heftig bearbeitet. Dass man sich solch massivem Druck aus Berlin schwerlich entziehen kann, hat Wolfgang Clement bewiesen. So ist es also durchaus möglich, dass Rot-Grün uns heute, morgen oder übermorgen einen abgespeckten Verkehrsminister Bodewig und einen Bau- und Aufbauminister Tiefensee präsentiert. Er müsste Wirtschaftskraft und Bedarf stärken und bestehende Angebote in der Wohn- und Gewerbeinfrastruktur zurückbauen. Eine leichte Übung wäre das nicht.

Falls die Operation so durchgeführt wird, wie sie sich am Mittwoch abzeichnete, wäre vor allem eines bewiesen: Der Charme beim Neuzuschnitt von Ressorts entspringt weniger innerer Logik als der Chance, Proporz- und Machtfragen über Strukturen und Zuständigkeiten auszutragen. Der Osten hat Schröder in die zweite Amtszeit getragen. NRW kriegt den Superminister Clement, der Osten jetzt wenigstens vielleicht Tiefensee. So zu tun, als ginge es nur um die optimale Zusammenfügung der anstehenden Aufgaben, als hätte dies alles mit Machtansprüchen aber nichts zu tun, ist so verlogen wie üblich.

Egal, ob Tiefensee sich dem geballten Druck nun beugt oder nicht, eines geht nicht. Die geplante Fusion der Ressorts Bau und Aufbau Ost darf nicht der Startschuss für weitere milliardenschwere und letztlich fehlgeleitete Maßnahmen werden. Und: Es darf nicht der Eindruck entstehen, als habe der Aufbau Ost hauptsächlich etwas mit dem Maurerhandwerk zu tun. Eine Querschnittsaufgabe irgendwo anzudocken ist möglich. Den Aufbau Ost dann hierauf zu beschränken, das wäre töricht.

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