zum Hauptinhalt

Meinung: Aufsteiger gegen Aufschneider

Westerwelle muss im Kampf mit Möllemann sagen, was für eine FDP er will

Von Hermann Rudolph

Die Unerbittlichkeit, mit der Guido Westerwelle und Jürgen Möllemann die Kraftprobe des Sonderparteitags der nordrhein-westfälischen FDP annehmen, ruft in Erinnerung, dass die Partei sich schon lange nicht mehr gespalten hat. Dabei gehört das fast zu den Usancen des klassischen Liberalismus. Über die längste Zeit seines Wirkens trat er geteilt auf – Demokraten und Nationalliberale im Kaiserreich, Deutsche Demokratische Partei und Deutsche Volkspartei in der Weimarer Republik. Der Spaltpilz saß auch in der Nachkriegs-FDP, bloß reichte es da nur zu Abspaltungen – 1957 verließ der Ministerflügel die Partei, 1982, beim Schwenk von der sozial-liberalen zur schwarz-gelben Koalition, blieb es ein kleines, radikalliberales Häuflein, das aus der Partei auszog. Nun rasen die beiden FDP-Protagonisten aufeinander zu wie zwei Züge auf dem gleichen Gleis. Ist eine Spaltung überhaupt zu umgehen?

Allerdings bildet die Streitsache Westerwelle versus Möllemann nicht die klassischen Gegensätze ab, entlang derer sich die Liberalen in der Vergangenheit zerstritten. Dass es der nordrhein-westfälische Landesverband ist, der die Kampfarena abgibt, mag den Eindruck erwecken, es ginge um die Konfrontation von nationaler und liberaler FDP, die hier in der Nachkriegszeit miteinander stritten. Aber in diese Kontroverse lässt sich dieser Streit nur schwer einordnen – Möllemann ist nicht von vorgestern, und überhaupt ist das Nationale seine Spezialität nicht. Schon gar nicht geht es um eine Neuauflage der alten Fehde zwischen Wirtschaftsliberalen und dem sozial-rechtsstaatsbewussten Freisinn, der 1982 und folgende den FDP-internen Streit überwölbte. Das Zerwürfnis wurzelt anderswo: in Möllemanns manischer Sucht nach Knall-Effekten, in seinem Spekulieren auf rechte Ressentiments, in seinem – mit Otto Graf Lambsdorff zu sprechen – Zeitbomben-Charakter.

Es geht also um eine Spielart von Politik: ihre Verwandlung in Events, in provozierende Gesten, in den Griff nach Themen, die mit einem Tabu belegt sind – aus guten Gründen. Auch um den Hauch Haider, der da in die FDP gekommen ist, nämlich die Bedenkenlosigkeit im Gebrauch politischer Mittel – gegen die Unterminierung der repräsentativen Demokratie, die der österreichische Populist im Sinne hat – ist die FDP bislang immun geblieben. Von dieser Politik, die sich in der Wahl blamiert hat, muss sich die FDP lösen. Und wenn es einen Grund gibt, die Auseinandersetzung mit Möllemann bis zu seiner Entfernung von Führungspositionen zu treiben, dann den Umstand, dass er keine Gewähr bietet, von der politischen Zündelei abzulassen. Die Verdienste, die Möllemann als Politiker hat, als Arbeitstier für fast alle FDP-Größen, als Minenhund in schwierigen Lagen, auch als keineswegs erfolgloser Minister, können diese notorische Schwäche nicht wettmachen.

Fatalerweise ist der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle bei dieser Politik immer mit von der Partie gewesen. Die Austreibung des Möllemannschen Geistes aus der FDP muss deshalb zusammengehen mit einer Selbsttherapie der FDP. Die Kraftprobe wäre überflüssig, wenn sie nicht vor allem das ist. Also die Absage an den 18-Prozent-Größenwahn, die fragwürdige Unabhängigkeits-Attitüde und die Koketterie mit einem unermüdlich, ungeheuer aufgekratzten Zeitgeist. Stattdessen die Annahme der Rolle, die die FDP in Wahrheit immer gespielt hat: Die einer kleinen Partei, die ihr Gewicht einsetzt, um das politische Kräftegefüge zu verschieben – in Richtung auf mehr Liberalität, auf Begrenzung der Staatsaufgaben, auf Rechtsstaatlichkeit. Und, aufs Ganze gesehen, zur Verhinderung von allzu viel Sozialdemokratie und Union. Das ist ein alter Hut? Er stünde der FDP besser als die angemaßte Kanzler-Krone, die auf ihrem Kopf zur Narrenkappe geworden ist.

Natürlich, es gibt keinen Weg zurück zur FDP der Scheel, Genscher und selbst von Graf Lambsdorff. Westerwelles Versuch, die FDP gegenüber den jungen Aufsteigern zu öffnen, war ja auch nicht falsch, auch wenn er in Gefahr war, vor allem die Aufschneider zu erreichen. Er hat die Partei vorangebracht, in den Stimmungen und – bei den Landtagswahlen – den Abstimmungen. Nur eine Frage blieb offen und gab Möllemann das Feld frei: die Frage, wofür Westerwelle steht, politisch, nicht nur als Versprechen eines Generationsgefühls oder eines Politikstils.

Vielleicht heißt das Problem der FDP gar nicht Möllemann, sondern Westerwelle.

NAME

Zur Startseite