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Meinung: Aus dem Abseits der Geschichte

Wer es noch nicht wusste, bekam es zum neuen Jahr vom Bundeskanzler höchstpersönlich gesagt. Das abgelaufene Jahr 2001 war ungewöhnlich - "ein hartes, ein dramatisches Jahr".

Wer es noch nicht wusste, bekam es zum neuen Jahr vom Bundeskanzler höchstpersönlich gesagt. Das abgelaufene Jahr 2001 war ungewöhnlich - "ein hartes, ein dramatisches Jahr". So sieht es Gerhard Schröder, und die Bundesbürger dürften diese schroffe Wertung mit ein wenig Erstaunen aufgenommen haben. Ein hartes Jahr: Dies ist eine Wertung, die in den ersten Nachkriegsjahren oder beim Mauerbau 1961 angemessen gewesen wäre. Doch für 2001?

Hart war das Regierungsgeschäft. Hart war der machtpolitische Umgang des Kanzlers mit der eigenen Parlaments-Mehrheit. Hart war das Los jener, die ihren Arbeitsplatz verloren. Hart war das Schicksal der Familien, die am 11. September Opfer beklagen mussten. Für Deutschland insgesamt war es ein schwieriges Jahr mit unerwarteten Herausforderungen, vor allem in der Außenpolitik. Schröder hätte auch sagen können: Es war ein ehrliches Jahr, das uns etwas abverlangt hat.

Schröder hat diesen Gedanken angespielt, als er sagte: "Es ist uns nicht mehr gestattet, abseits zu stehen." Der Kanzler argumentiert gern mit Sachzwängen und Notwendigkeiten, oder, wie in der Neujahrsansprache, mit der Vokabel "Anstand". Einer seiner Lieblingssätze ist der, dass die Regierung tue, was getan werden müsse. Er sagt eben nicht: "Wir wollen nicht mehr abseits stehen." Stattdessen stellt er fest: "Wir haben lernen müssen, dass die Weltgemeinschaft von Deutschland mehr erwartet."

Wir folgen, wir müssen - wir wollen eigentlich gar nicht? So redet Schröder den Handlungsspielraum seiner Politik klein, um ihre Konsequenzen erträglicher zu machen. Deshalb wohl auch fiel das Attribut "uneingeschränkt" vor der "Solidarität" weg, die Schröder dreimal ansprach.

"An jedem Ort" werde der Terror bekämpft werden, kündigt der Kanzler an. Das dürfte die Härte sein, die 2002 bringt. Welchen Ort er meint, das hat er nicht gesagt, und vielleicht weiß das ja auch noch niemand. Nicht einmal der große Freund in Washington. Dessen Festlegung, man werde jeden "internationalen Terrorismus" bekämpfen, also eben nicht den nationalen von Eta, Tamilentigern oder "wahrer IRA", hat Schröder in seiner Formulierung vom Kampf "an jedem Ort" aufgegriffen.

So ganz nebenbei hat der Kanzler seinem Vorgänger noch eine kapitale Bosheit hinterhergeworfen. Für die 80er und die 90er Jahre hat Schröder eine knappe, nur zweisilbige Wertung parat. "Trübe" sei die Ära Kohl gewesen, meint Schröder despektierlich. Trübe. In dieser Verkürzung liegt schon ein gerüttelt Maß an Gehässigkeit. Jedenfalls wissen wir jetzt, dass auf "trübe" nun "hart" gefolgt ist. Und 2002?

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