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Meinung: Aus den Folterkellern des Außenministeriums Wie loyal müssen Botschafter sein?

Hat nun der (vormalige) deutsche Botschafter in Bern seine Ruhe? Jedenfalls befindet er sich im einstweiligen Ruhestand.

Hat nun der (vormalige) deutsche Botschafter in Bern seine Ruhe? Jedenfalls befindet er sich im einstweiligen Ruhestand. Frank Elbe hatte wegen der neuen „Vergangenheitspolitik“ im Auswärtigen Amt einen kritischen Brief an „seinen“ Minister Joschka Fischer geschrieben – der merkwürdigerweise zugleich in der Zeitung zu lesen war. Aber was hat es nun mit den Loyalitätspflichten eines Beamten auf sich?

Die Affäre lenkt den Blick zurück in die Jahre nach 1969 – in die Zeiten also des „Bahr-Papiers“ und dessen pflichtwidrige Weiterleitung an die Presse. Seinerzeit standen viele Beamte im Auswärtigen Dienst Kopf, weil ihnen diese neue Politik contre coeur ging. Paul Frank, der damalige Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, soll über diese Loyalitätskonflikte gespottet haben: Solange man noch nicht die Schreie der Gefolterten aus den Kellern des Amtes heraufdringen höre, sei die Lage nicht weiter besorgniserregend. Eindrucksvoll deutlich aber wurde Franks Dienstauffassung in seinen Memoiren („Entschlüsselte Botschaft“), in denen er Dedo von Schenk, dem Leiter der Rechtsabteilung des Amtes ein anrührendes Denkmal setzte. Schenk sei ihm erschienen „als ein Vorbild des gewissenhaften Beamten, der weiß, dass es innere Zweifel zu überwinden gilt, wenn die Politik zu Entscheidungen kommen soll, der aber ebenso deutlich macht, wo für ihn selbst die Grenze seines Handelns und seiner Mitwirkung liegt. Dedo von Schenk stand innerlich der Ostpolitik der Regierung Brandt/Scheel skeptisch gegenüber; aber er wusste, dass die demokratisch gewählte Regierung nicht handlungsunfähig werden und dass man ihre politischen Ziele nicht in einem Wattebausch juristischer Bedenken ersticken durfte. Er wusste auch, dass dies nicht die Gelegenheit war, persönliche Eitelkeiten in den Vordergrund zu stellen oder sie gar als Gewissenskonflikte auszugeben.“

Beamte haben längst keinen Kadavergehorsam mehr zu leisten. Freilich sieht das Gesetz vor: „Der Beamte hat bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus seiner Stellung gegenüber der Gesamtheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten seines Amtes ergeben.“ Verglichen mit all diesen hohen Maßstäben erweist sich die gegen Frank Elbe verhängt „Sanktion“ geradezu als eine Belohnung. Die Weitergabe eines derartigen Briefes an viele weitere Empfänger und an eine Zeitung, rechtfertigte durchaus ein ordentliches Disziplinarverfahren – wie es übrigens gegenüber jedem „kleineren“ Beamten eingeleitet würde, den man nicht flugs in den einstweiligen Ruhestand abschieben kann. Der Fall Elbe könnte sogar auf fatale Weise Schule machen: Man ist 63 Jahre alt, hat keine rechte Lust und Karriereaussichten mehr, könnte vielleicht (das sei Elbe ausdrücklich nicht unterstellt!) einen hübschen Beratervertrag abschließen, also schreibt man dem Minister einen frechen Brief – und schon ist man Freigänger. Wenn der Minister und seine Staatssekretäre wirklich Manns genug wären, hätten sie Elbe nicht anders behandelt als jeden Attachée.

Nun aber noch ein Wort zum Fall Fischer: „Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen“, so heißt es im Gesetz außerdem. Unter dem Aspekt der Loyalitätspflicht (die ja eine Beziehung auf Gegenseitigkeit ist) heißt dies zugleich, dass der Minister auf den Rat seiner Beamten und Botschaft zu achten hat: Er muss ihn nicht befolgen – aber doch wenigstens hören oder lesen und bedenken. Unterlässt er dies, kann es nicht nur zu Fehlentwicklungen kommen, sondern auch zu peinlichen Situationen – etwa, wenn ein Beamter sich vor einem Gericht oder einem Untersuchungsausschuss zu entscheiden hat zwischen der Loyalität und der Wahrheit. Dann aber hat die Wahrheit allemal Vorrang.

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