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Meinung: Aus den Tiefen des Raums

Sie ist wieder da – und scheint plötzlich ganz nahe: Jetzt wollen alle die Föderalismusreform

Franz Müntefering und Edmund Stoiber scheinen sich ihrer Sache sicher zu sein. Die im Dezember gescheiterte Föderalismusreform soll im zweiten Anlauf gelingen. Denn hätten der SPD-Chef und Bayerns Ministerpräsident bei ihrem Gespräch am späten Mittwochabend nicht schon die entscheidenden Konsenslinien entdeckt, ihre politische Erfahrung hätte ihnen schnell gesagt, das Werk lieber doch nicht zu Ende zu führen.

Damit setzen sie sich unter Erfolgszwang. Doch nur wer das tut, wird auch zum Erfolg kommen. Stoiber und Müntefering zeigen mit ihrer Entscheidung sowohl den Willen als auch die Fähigkeit zur Führung: Nach all den Querelen, die ja nicht allein sachlich motiviert waren, haben sie nun den Mut, gegen Widerstände zu einem Reformkompromiss zu kommen, der das malade Verhältnis von Bund und Ländern wieder bessert.

Dies kann gelingen, weil sich seit Dezember das politische Dickicht, in dem die Reform stecken blieb, gelichtet hat. Der Kanzler etwa scheint nun bereit zu sein, den schon im Dezember eingeschlagenen Kompromissweg mitzugehen. Dazu hat wohl auch die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Studiengebühren beigetragen, das nochmals verdeutlichte, dass Bildungspolitik Ländersache ist und Karlsruhe neuerdings zu einer länderfreundlichen, weniger zentralistischen Auslegung des Grundgesetzes neigt.

Zudem hat die Analyse in den letzten Wochen wohl gezeigt, dass der Bund bei der Reform nicht schlecht wegkommt, auch bei finanziellen Fragen. Hier setzt nun Kritik unter Ministerpräsidenten an: Christian Wulff etwa möchte nachverhandeln, weil er die Länder im Nachteil sieht, und ist deshalb Stoiber angegangen. Die Finanzfragen hat freilich, durchaus im Einklang mit Bundesinteressen, sein Partei- und Generationskollege Roland Koch verhandelt. Der wiederum hat seinen Widerstand in der Bildungspolitik gemildert und gesteht dem Bund zu, in der Forschungsförderung weiterhin gestaltend mitzumischen. Vielleicht hat auch hier das Karlsruher Gericht Nachhilfe geleistet, indem es Kochs Eilantrag gegen ein Unterstützungsprogramm des Bundes abwies.

Dass der Neuanlauf gelingen könnte, zeigt schon der Streit, wann der Erfolg mit einem kleinen Gipfeltreffen samt Kanzler Schröder und Oppositionschefin Merkel kundgetan werden soll – noch vor der NRW-Wahl am 22. Mai oder erst später. Die SPD hofft auf einen frühen Termin, die CDU-Spitze neigt dazu, dem Kanzler die begleitenden Bilder staatsmännischer Einigkeit nicht zu gönnen. Doch einmal abgesehen davon, dass die Reform gründlich ausformuliert werden muss und dann vielleicht doch länger braucht, sollte die Union dem Gegner den frühen Termin gönnen. Denn die Föderalismusreform wird die NRW-Wahl nicht entscheiden. Möglicherweise aber wird ein Wahlergebnis, das der SPD wehtut, die Föderalismusreform entscheiden – indem sie plötzlich hintan steht. Das aber kann sich die politische Klasse nicht leisten.

Was im Dezember schon ausgehandelt war, ist ein vernünftiger Versuch, das Bund-Länder-Verhältnis wieder gerade zu biegen. Bei der Gesetzgebung wird vieles klarer sein und weniger Streit nach sich ziehen. Dass die Länder wieder über Besoldung und Versorgung ihrer Bediensteten bestimmen können, ist ein wichtiger Schritt. Mit gutem Willen lassen sich die offenen Punkte zur Zufriedenheit aller klären. Auch in der Bildungspolitik.

Gemessen am Ideal einer Föderalismusreform mag es wenig sein. Doch es wäre eine wichtige Vorarbeit für die große Reform, die im Rahmen der Neuverhandlung des Finanzausgleichs in zehn Jahren ansteht. Die dann Verantwortung haben, werden froh sein, dass im Jahr 2006 einiges abgeräumt wurde. Darunter vielleicht der eine oder andere, der jetzt nörgelt.

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