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Meinung: Aus der Hosentasche Von Christoph von Marschall

An Deutschland scheitert Europas Verfassung nicht. Selbst der Bayer Edmund Stoiber sieht die Länderinteressen gewahrt.

An Deutschland scheitert Europas Verfassung nicht. Selbst der Bayer Edmund Stoiber sieht die Länderinteressen gewahrt. Es wäre auch ein wenig verlogen gewesen, dagegen zu stimmen. Angesichts des drohenden Neins in Frankreich und der fadenscheinigen Behauptungen der Verfassungsgegner – es sei nicht genug debattiert oder das Volk nicht einbezogen worden – muss man es nochmal sagen: Diese Konstitution ist anderthalb Jahre lang in einem öffentlichen Konvent beraten worden. Dort saßen Vertreter der Zentralregierungen und Regionen, der Regierungs wie der Oppositionsparteien und Repräsentanten gesellschaftlicher Gruppen. Nur hat sich Europa damals wenig für das Projekt interessiert. Die EU galt als langweilig, technokratisch, wenig „sexy“.

Es ist auch keine Katastrophe, wenn die Verfassung jetzt nicht beschlossen wird. Auch da hilft ein Blick zurück. Die EU-Anhänger spürten, dass der Rückhalt für die Integration nachlässt – dringende Wünsche, wie die Freiheit zu reisen, in einem anderen Staat zu studieren oder zu arbeiten, waren erfüllt; und die Menschen ließen sich doch lieber national regieren als aus dem fernen Brüssel. Deshalb wollte man ihnen etwas Symbolisches geben, Europa zum Anfassen: eine Verfassung, die man in der Hosentasche mit sich herumtragen kann. Zudem würden Europas Regeln so in eine übersichtliche Ordnung gebracht. Bisher bestehen sie aus der Summe der Verträge, die über die Jahrzehnte geschlossen wurden – Vertrag von Rom, von Maastricht, von Amsterdam, von Nizza … Natürlich wussten die Verfassungsväter, dass sie den Menschen keinen praktischen Mehrwert liefern können, die Grundfreiheiten werden ja bereits von den Staaten garantiert, allesamt funktionierende Demokratien und Rechtsstaaten. Es ging um ein Europa-, ein Wir-Gefühl.

Offenbar brauchen die Bürger das gar nicht so dringend, wie die Politiker meinten. Europa kann auch ohne diese Verfassung gedeihen. Nur um eines ist es schade: Manche Abstimmungsmechanismen dieser Verfassung sind gerechter und effektiver als die geltenden. Vielleicht klappt’s ja im nächsten Anlauf.

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