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Ausnahmezustand in Kiew: Fatale Untätigkeit

Die Lage auf dem Maidan erscheint ausweglos. Ein Ende der Ausschreitungen zwischen Regierungsgegnern und der Polizei sind in Kiew nicht in Sicht. Die EU sollte auf die Vorgänge in der Ukraine endlich mit Sanktionen reagieren. Und dann den nächsten Schritt tun: vermitteln.

Es war ein trauriger Tag für Europa: Am Mittwoch wurden bei den Protesten in der Ukraine erstmals Demonstranten getötet. Die Lage auf dem Maidan erscheint ausweglos. Anders als von der ukrainischen Führung erwartet hat sich der Protest weder durch die eisigen Temperaturen noch durch neue drakonische Gesetze stoppen lassen. Es ist zu befürchten, dass die Führung um Präsident Viktor Janukowitsch nun verstärkt auf Gewalt setzt. Und die Opposition? Sie steht nach Wochen des Protests ohne vorzeigbares Ergebnis da. Ein kleiner Teil der Protestbewegung, vor allem Anhänger der nationalistischen Partei Swoboda, griff sogar zu Gewalt. Vitali Klitschko wurde selbst attackiert und musste zugeben, dass die Oppositionsführung die Lage nicht unter Kontrolle hat. Die Bilder aus Kiew erinnern an Momentaufnahmen aus einem Kriegsgebiet.

Die Ukraine gehört zu Europa

Es ist an der Zeit, dass die Europäische Union handelt. Nicht irgendwann, nicht nächsten Monat, sondern jetzt. Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat ein „mögliches Handeln“ der EU in Aussicht gestellt. Das deutet in die richtige Richtung, reicht aber angesichts der dramatischen Ereignisse in Kiew nicht aus. Denn die Ukraine gehört zu Europa, die Menschen dort sind auf die Straße gegangen, weil sie die europäischen Werte teilen. Daraus erwächst für uns die Verpflichtung, sie jetzt nicht im Stich zu lassen.

Die EU sollte Sanktionen gegen diejenigen beschließen, die für die Gewalt gegen Demonstranten verantwortlich sind, und auch gegen diejenigen, die im Parlament neue restriktive Gesetze eingebracht haben. Denn diese Gesetze machen fast jede unliebsame öffentliche Meinungsäußerung strafbar. Als Sanktionen kommen Einreiseverbote und das Einfrieren von Vermögen infrage. Die US-Botschaft in Kiew hat bereits denjenigen Ukrainern Visa entzogen, die für die Gewalt gegen Demonstranten im November und Dezember verantwortlich waren. Zugleich stellte sie Ähnliches als Reaktion auf die jüngste Gewalt in Aussicht. Diesem Beispiel sollte die EU jetzt folgen.

Finanzielle Sanktionen würden Janukowitsch treffen

Selbst wenn Einreiseverbote als weitgehend symbolische Maßnahme abgetan werden könnten, würden finanzielle Sanktionen die Führungselite um Janukowitsch empfindlich treffen. Erinnert sei an den Präsidentensohn Oleksandr, der nach der Amtsübernahme seines Vaters sein Vermögen vervielfachte und nun als einer der reichsten Männer des Landes gilt. So wie er haben auch führende Regierungsmitglieder sowie Oligarchen, die Janukowitsch stützen, einen Teil ihrer Vermögen auf Bankkonten und in Firmen innerhalb der EU angelegt. Natürlich geht es keineswegs darum, von außen einen Führungswechsel in der Ukraine herbeizuführen, auch wenn das gern von russischer Seite unterstellt wird. Aber wenn die EU nicht den Druck auf die Führung in Kiew verstärkt, wächst die Gefahr weiter, dass Janukowitsch eine gewaltsame Lösung sucht.

Sanktionen allein reichen nicht aus. Parallel sollte die EU sich darum bemühen, Regierungsvertreter und Protestbewegung an einen Tisch zu bekommen, um einen Ausweg aus der scheinbar ausweglosen Situation zu finden. Denn die Folgen weiterer Untätigkeit wären fatal, auch für Europa.

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