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Außenpolitik: Wenn Mittelmaß regiert

Wortreich, aber unentschlossen bis feige: Die Außenpolitik Deutschlands und der Europäischen Union ist ein Desaster. Im Umgang mit der Griechenlandkrise kulminieren europäische Hilflosigkeit und deutsches Lavieren.

Die Außenpolitik der Europäischen Union gleicht im Moment der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Beide sind wortreich und inhaltsleer, verbal charakterstark, de facto aber unentschlossen bis feige. Das liegt nicht nur an den Menschen, die diese Außenpolitik verkörpern, die deutsche wie die europäische, sondern auch an der mangelnden Prinzipienfestigkeit der Regierungen oder Institutionen, die hinter Guido Westerwelle und Catherine Ashton stehen. Wenn sich dann noch eine unglückliche Amtsführung mit mangelnder Erfahrung paaren, kann das Ergebnis nur unbefriedigend sein.

In Deutschland ist das an den Folgen der Enthaltung im Sicherheitsrat in der Libyenfrage zu besichtigen, in Europa an der fehlenden einheitlichen Strategie gegenüber den arabischen Potentaten, die ihre nach Demokratie dürstenden Völker kujonieren. In der Unentschlossenheit im Umgang mit der Griechenlandkrise kulminieren europäische Hilflosigkeit und deutsches Lavieren.

Catherine Ashton, die, so ihr offizieller Titel „Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik“, wird von Diplomaten als überaus kluge und tatkräftige Politikerin geschildert, die sich mit großem Fleiß in eine Materie einarbeitet, von der sie nicht viel versteht. Ihre Ernennung kann man weniger ihr als den europäischen Staats- und Regierungschefs vorwerfen, die mit Jean-Claude Junker einen hervorragend vernetzten und durchsetzungsstarken europäischen Außenminister hätten haben können, vor lauter Angst vor dessen Kompetenz aber kniffen und stattdessen eine Nobody ins Amt hoben. Dabei konnte man am Beispiel von Ashtons Vorgänger in einem mit vergleichsweise viel weniger Macht ausgestatteten Amt, Javier Solana, ablesen, welchen immensen Gestaltungsraum ein europäischer Spitzenpolitiker hätte.

Wenn aber das Vertrauen untereinander und die gemeinsamen Erfahrungen fehlen, das verschwörerische Wissen, schon einmal gemeinsam ein Pferd gestohlen zu haben, wie es der deutsche Spitzendiplomat Wolfgang Ischinger in anderem Zusammenhang bildhaft formulierte, kann europäische Außenpolitik nicht funktionieren.

Das rächt sich jetzt im südlichen Mittelmeerraum, wo die ehemaligen Großmächte England und Frankreich Entschlossenheit demonstrieren und die EU sich nicht einmal entschließen kann, den syrischen Diktator Assad mit einem Einreiseverbot zu belegen.

Gegenüber Griechenland schließlich, das von intransigenten Gewerkschaften und Beamten ruiniert und von zinslüsternen Geldgebern in die Depression getrieben wird, demonstriert die deutsche Politik Scheuklappenmentalität. Wer mit einer gemeinsamen politischen Willensbekundung – und wer, wenn nicht die kontinentale Wirtschaftsmacht Nummer eins müsste die vorantreiben – wartet, bis Griechenland implodiert, treibt Schindluder mit der Führungsrolle in Europa. Die kann niemand anders als Deutschland spielen. Das erwarten die meisten Staaten der EU auch. Enthaltung, wie und wo auch immer, ist keine Politik.

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