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Meinung: Aussitzen? Das war mal

Im Fall Berlusconi muss Schröder die Grenze aufzeigen

Werner Hoyer ist keiner, dem in der Außenpolitik der Mund überläuft. Aber jetzt hat sich der FDP-Fraktionsvize, früher Staatsminister im Außenamt und immer noch EU-Fachmann, aufgeregt: Eine Provokation sei das, was Silvio Berlusconi sich leiste, ein unglaublicher Skandal. Nun kann man fragen: Wer ist Hoyer? Antwort: Der erste Politiker von einigem Rang, der sich so aufregt – und andere werden folgen. Denn Recht hat Hoyer mit jeder Silbe der Empörung. Es ist ein nie da gewesener Vorfall. Italiens Premier beleidigt EU-Parlamentarier, Opfer des Faschismus, Deutschland, dazu desavouiert er den Kanzler, der eine Entschuldigung gefordert hat – und der lässt es laufen? Er droht jetzt, seinen Italien-Urlaub abzusagen. Aber nicht wegen Berlusconi.

Italiens Premier ist schon dreist. Der Kanzler hatte ihm eine Seufzerbrücke gebaut, indem er das Bedauern als Entschuldigung auslegte. Schröder akzeptierte damit etwas, was Berlusconi so nie gemeint hat. Was an sich schon eine zwiespältige Verhaltensweise ist und überdies riskant; es setzt Einsicht bei Berlusconi voraus. Aber verständlich war das Verhalten auch. Wie schreibt „La Repubblica“? Alles für das höhere Wohl Europas.

Jetzt allerdings wird es richtig schwierig – für Europa und den Kanzler. Italiens Premier fehlt Fingerspitzengefühl und nachweisbar auch die nötige Integrationskraft. Sein Verhalten ist selbstherrlich, nicht witzig. Das muss politisch deutlicher werden als bisher. Wie? Hoyers Forderung, Berlusconi abzulösen, ist formal abwegig. Aber auf diplomatischem Weg kann etwas geschehen: Berlusconi wird, soweit es irgend geht, von seinen Kollegen übersehen und überhört und stattdessen nur noch der Außenminister angesprochen. Das wäre eine elegante Ächtung – die einen Frontalzusammenstoß vermeidet.

Der Kanzler darf den Fall nicht aussitzen. Die Fallhöhe ist seine Erklärung im Bundestag, in der er – auch äußerst ungewöhnlich im Umgang zwischen Staaten – eine Entschuldigung von Berlusconi verlangte. Bleibt die nun demonstrativ aus, muss Schröder das verurteilen. In seinem Interesse, um die eigene Autorität und Glaubwürdigkeit zu wahren, aber auch in unserem. Und für das höhere Wohl Europas.

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