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Meinung: Ausweisung auf Verdacht

Das Zuwanderungsgesetz darf die Sicherheitsfragen nicht umgehen

Etwas spät ist die Union darauf gekommen, Antiterror- und Sicherheitsaspekte in der Zuwanderungsdebatte aufzufächern. Schließlich war schon nach dem 11. September 2001 klar, dass die Themen auf lange Sicht nicht getrennt werden können. Es sind in den seltensten Fällen deutsche Staatsbürger, die uns da bedrohen. Die Themen nicht zu vermengen, beweist den guten Willen, Populismus keinen Vorschub zu leisten. Sachlich ist es falsch.

Die Union hat eine Karte auf den Tisch gelegt, die so genannte Ausweisung auf Verdacht. Otto Schily kennt diese Karte, er hatte sie einst selbst gespielt, und zwar unmittelbar nach den Terror-Attacken auf das World Trade Center. Damals griff sich nicht nur der grüne Koalitionspartner an den Kopf, sondern auch die SPD-Justizministerin. Sie fürchtete, dass diese Regelung in Karlsruhe kassiert würde, weil sie unverhältnismäßig sei.

Das war damals richtig. Nur ist es so, dass sich die Verhältnisse ändern können – und über das richtige Maß neu nachgedacht werden muss. Der Terror des 11. September ist der blutigste und folgenschwerste islamistische Anschlag – aber womöglich bildet er nicht den Höhepunkt des Wahnsinns. Anzeichen dafür gibt es, denn damals ging es um westlich-weltliche Symbole und deren Zerstörung, um Massenmord als Nebenprodukt einer politischen Botschaft. Der Wahnsinn hatte, so furchtbar es klingt, eine gewisse Methode, die ihn zumindest etwas kalkulierbar machte. In Spanien ging es den Tätern nur noch um das Auslöschen von Zivilität, um Vernichtung und Angst. Die Täter werden sektiererischer, unberechenbarer, letztlich noch barbarischer.

Und auch das ist neu seit dem 11. März: Sie wenden sich nach Europa. Der enge Schulterschluss mit den USA nach den Anschlägen in New York war ehrlich und konsequent, denn auch Europa musste sich getroffen fühlen. Tatsache aber war auch: Europa war nicht getroffen. Deshalb lautet seitdem Schilys Mantra zur inneren Sicherheit: große Gefahr, aber kein Grund zur Angst.

Mit der relativen Beruhigung könnte es bald ein Ende haben. Deutschland war in der Vergangenheit schon im Visier islamistischer Terroristen, auch wenn die Pläne rechtzeitig aufgedeckt wurden. Sollten die nach wie vor der Beihilfe zum 11. September verdächtigten Mounir al Motassadeq und Abdelghani Mzoudi schließlich doch verurteilt werden, wird es in den Augen der Islamisten nur einen Schuldigen geben: die Deutschen. Zudem wird die deutsche Haltung zum Irakkrieg vielleicht einmal belohnt werden – jedoch nicht von verblendeten Attentätern.

Die Frage der Ausweisung auf Verdacht stellt sich heute dringender als vormals. Denn Deutschland wird vom Ruheraum für Terroristen zu deren potenziellen Anschlagsziel. Ausweisung ist keine Strafe, doch sehr wohl dient sie der Spezial- und der Generalprävention. Und man darf Beweishürden für sie niedriger legen als für ein Strafurteil. Was man nicht darf: Alle Bärtigen des Landes verweisen, die radikale Reden schwingen. Schily und die Union sind aufgerufen, eine Lösung zu finden, die den Verhältnissen gerecht wird – und die Verhältnismäßigkeit respektiert.

Hohe Erwartungen indes sollte man an dieses Instrument nicht knüpfen. In vielen Fällen kann es besser sein, die Leute im Land zu lassen, um sie beobachten zu können. Und viele wird man nicht abschieben können, weil ihnen in der Heimat Folter oder unfaire Verfahren drohen. Die Ausweisung kann nur ein kleines Thema sein im großen Streit um die Zuwanderung.

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