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Autobombe: New York hat Glück gehabt

New York entging nur knapp einem Terroranschlag, Erinnerungen an andere Anschlagsversuche werden wach. Letztendlich gilt: The Show must go on.

Die Angst kehrt nach New York zurück. Die Stadt hat unwahrscheinliches Glück gehabt – so wie Deutschland 2006, als die Zünder der Kofferbomben in Zügen versagten. Und wie die Passagiere des Weihnachtsflugs von Amsterdam nach Detroit, die dem Selbstmordanschlag eines jungen Nigerianers in der Luft nur knapp entgingen.

Die Terrorgefahr ist nicht gebannt. Sie erreicht nun in Form rollender Bomben westliche Städte. Experten hatten diese Entwicklung befürchtet. 2007 steuerten Islamisten eine rollende Bombe in die Airporthalle von Glasgow. Autos können viel größere Mengen Sprengstoff tragen als ein Mensch am Körper – und sie fallen im Massenverkehr der Städte nicht auf. Im Irak und in Afghanistan gehören Autobomben zum Alltag. Europa kennt sie seit Jahrzehnten, zum Beispiel von der IRA in Großbritannien oder der Eta in Spanien. Die richteten ihre Anschläge freilich gegen Behörden oder Armee, nicht gegen unbeteiligte Passanten. Sie wollten Aufmerksamkeit erregen, ohne die Sympathie für ihr Anliegen zu verlieren; der Mord an Unschuldigen hätte das gefährdet. Die neuen Täter machen keinen Unterschied, ob im Nahen Osten oder in New York.

In der Stunde der erneuten Bedrohung durch den Terror zeigt sich aber zugleich das Wunder dieser einzigartigen Stadt – was sie so attraktiv macht für Millionen Menschen, die hier leben, und noch weit mehr Millionen, die sie jährlich als Touristen erleben wollen: nämlich ihre Vielfalt, ihre Lebensfreude, ihre ungeheure kulturelle wie ökonomische Vitalität. Daraus speisen sich zugleich die Gründe, warum manche diese Stadt so sehr hassen, dass sie in ihrem Herzen einen Terroranschlag planen.

Die Suche nach dem oder den Tätern und ihren Motiven deckt einen scheinbaren Widerspruch auf: Zielte die Bombe auf den Times Square und den Theaterbezirk, weil die Stadt wie keine andere für Amerika und sein Versprechen kultureller Offenheit und Toleranz steht? Das ist der erste Reflex seit 9/11; bei den Worten Terror und New York denken viele an Islamisten. Al Qaida wählte Manhattan als Ziel, weil es, aus dem Ausland betrachtet, der Inbegriff der USA ist.

Vielleicht steckt jedoch ein weißer, inländischer Einzeltäter dahinter wie der Oklahomabomber 1995. Ein solcher Täter will New York treffen, weil es so schrecklich unamerikanisch geworden sei, dekadent und verrottet. Die Mehrheit der US-Bürger betrachtet den Big Apple und die Lebensweisen dort mit Missbilligung und dem Gefühl: Das ist nicht Amerika.

Tatsächlich ist New York beides: die alleramerikanischste Metropole, weil sie die größte denkbare Projektionsfläche bietet für alles, was die Welt an den USA mag oder nicht mag. Und zugleich ist New York so unamerikanisch, als läge es in einem anderen Land.

Kann man eine solche Stadt vor Autobomben schützen – ohne zu beschneiden, was ihr Wesen ausmacht? Die Stadt zeigt, dass sie sich und ihren Lebensstil behaupten will. Am Folgeabend waren der Times Square und die Theater geöffnet. The Show must go on – mit etwas mehr Wachsamkeit.

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