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In der Alten Jakob Straße in Berlin-Kreuzberg brannte am 25. August 2011 dieses Auto.

© dpa

Autobrände: Der Blödmann und die Brandstifter

Wie der 27jährige André H. 67 Autos anzündete, damit fast die Berliner Wahl entschieden hätte - und warum sich Politiker von einer Hysterie anstecken ließen.

Wenn in Berlin jemand Autos demolierte, schaffte er es meistens als Kurzmeldung in den Polizeibericht, falls nicht gerade etwas Wichtigeres passiert war. André H. dagegen, ein arbeitsloser Lackierer, hat es auf die ersten Seiten der Zeitungen geschafft, sogar in der Tagesschau war er, zwar nicht selbst, aber mit seinen Taten, denn er hat im Sommer dieses Jahres 67 Autos angezündet.

Das alleine hätte wohl kaum gereicht, um so berühmt-berüchtigt zu werden. Es brauchte dazu noch einen Wahlkampf ohne besondere Themen und eine politische Zwangsjacke: Linksextremist stand darauf. Jetzt kann er sie endlich ausziehen, denn André H. ist gefasst und darf wieder sein, was er war: ein gefrusteter Blödmann, ohne Bezug zur linken Szene.

Als André H. loslegte, entzündete er eine heiße Phase der Hysterie. Immer wieder hatten Autos gebrannt, mal hier, mal dort, es gab Hinweise auf linksextreme Täter. Aber jetzt gingen mitten in Charlottenburg in einer Nacht ein Dutzend Audi, BMW und Mercedes in Flammen auf – und nur der CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel wusste, wer es war und was zu tun ist. Jetzt müsse die militante linke Szene endlich unter Druck gesetzt werden, forderte er, und zwar mit einer Sonderkommission der Polizei, und, maximale Drohung!, mit runden Tischen gegen Linksextremismus.

Schnell klebte die CDU auch neue Plakate, mit brennenden Autos darauf, versehen mit dem abgewandelten SPD-Slogan: Muss Berlin das verstehen? Auch die FDP schimpfte auf das linke Sympathisantenumfeld, und sogar die Grünen schienen sich mit einem Hinweis auf den 1. Mai der Linke-Täter-These anzuschließen.

Da sich Innensenator Körting ungerne rechts überholen lässt, erklärte er die Jagd nach den Autozündlern zum Schwerpunkt, ließ den Staatsschutz weiter ermitteln, als die Polizei längst Zweifel an politisch motivierten Tätern hatte, forderte teure Unterstützung und Hubschrauber der Bundespolizei an und schickte diejenigen Beamten, die bei der vorletzten Hysterie in die U-Bahnhöfe abkommandiert worden waren, wieder nach oben zur Straßenpatrouille. Feine Ironie der Geschichte, dass André H. schließlich auf Überwachungsvideos der BVG erkannt wurde – mit Bus und Bahn ans Ziel.

Körtings Aktionismus dämpfte den politischen Furor und führte letztlich ja zum Ziel – wenn auch zunächst mal nur in diesem Fall; einige weitere André H.’s dürften noch unterwegs sein, von der Aufmerksamkeit angezogen. Aber ob links, ob rechts, ob nichts, Hauptsache Schluss damit, so könnte man es sehen. Muss man aber nicht.

Max Frisch gab seinem Stück „Biedermann und die Brandstifter“ einst den Untertitel „Ein Lehrstück ohne Lehre“. Hier gibt es eine. Wo viel Rauch ist, gibt es zwar meistens Feuer, aber man sieht auch schlechter. Nur Politiker irritiert das nicht. Als neulich an Bahnstrecken ein gutes Dutzend nicht gezündeter Brandsätze und im Internet wirre Bekennerschreiben gefunden wurden, diskutierte der Bundestag schon über den neuen Terrorismus.

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