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Barack Obama: Der beschädigte Präsident

Mit dem Gesetz zur Anhebung der Schuldenobergrenze hat der US-amerikanische Präsident Zeit gewonnen. Der Schuldendeal könnte sich aber als Pyrrhussieg für die Tea Party erweisen.

Alle Jahre wieder verkündet irgendein amerikanischer Politiker im Wahlkampf, dass er Washington „verändern“ wird. Die „Tea Party“ hat das geschafft.

Der harte Kurs der dieser konservativen Bewegung nahestehenden Abgeordneten hat die Haushaltsdebatten in der amerikanischen Hauptstadt in ein Spektakel verwandelt, das auf der ganzen Welt verfolgt wurde – einschließlich der dramatisch dahintickenden Uhren, die in den Sendungen der Kabelsender die verbleibenden Stunden zählten. Der Kampf um die Schuldengrenze lieferte eine Antwort auf jene Frage, die sich die Amerikaner seit dem Erscheinen der Tea Party auf der politischen Bühne gestellt haben: Wie wird sich diese Bewegung auf die Politik des Landes auswirken und was für Folgen würde eine solche Politik haben?

Das Drama im Kongress und die drohende Zahlungsunfähigkeit des Landes um Mitternacht des 2. August spielte jenen Konservativen, die gegen Steuererhöhungen sind, in die Hände: Denn die Drohung, die Schuldengrenze nicht anzuheben – eine politische Waffe, die in Washington seit Jahren nicht mehr eingesetzt worden war –, ermöglichte den Republikanern, ihren politischen Gegner zu Zugeständnissen zu bewegen. Prominente konservative Kommentatoren nannten den Kompromiss auch einen Triumph für die Tea Party.

Präsident Barack Obama, der versucht hatte, sich in dieser erhitzten Atmosphäre als verantwortungsvoller Führer zu präsentieren, ist alles andere als unbeschädigt aus dem Drama herausgekommen. Von links und von rechts wird er kritisiert für seine Verhandlungsführung beim Versuch, einen Kompromiss herzustellen: Die am häufigsten als E-Mail verschickten Artikel der „New York Times“ am Dienstagmorgen waren zum Beispiel „Der Präsident kapituliert (linker Kolumnist) und „Der geschrumpfte Präsident“ (rechter Kommentator).

Die Frage ist nun, ob der Streit um die Schuldengrenze den Zenit der Tea Party darstellt – oder den Beginn ihrer Ära.

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Bereits im November, nachdem Vertreter der Tea Party in allen Teilen des Landes Wahlen gewonnen hatten, diskutierten die Führer der Republikaner offen die Möglichkeit, mit Hilfe des Haushaltsrechts des Kongresses die Demokraten in die Knie zu zwingen. Nun, da sie dieses Instrument bis nach der Präsidentenwahl 2012 nicht mehr einsetzen können, fehlt ihnen für die kommenden harten Debatten eine solche politische Waffe. Eine Reihe von Problemen, wie die Finanzierung der populären staatlichen Gesundheitsversicherung für die Rentner, muss gelöst werden. Hier dürfte es der Tea Party weniger leicht fallen: Als ein Liebling der Bewegung vor einigen Monaten Eingriffe in diese Versicherung vorschlug, distanzierten sich angesichts der öffentlichen Empörung mehrere Republikaner von dem Vorschlag.

Und dann gibt es noch die amerikanische Wirtschaft an sich, die erschreckende Anzeichen von Stagnation zu erkennen gibt. Viele der der Tea Party nahestehenden Republikaner halten Einschnitte für notwendig und verweigern sich Steuererhöhungen. So laut verbreiten sie derzeit ihre Rezepte, dass ihnen eine weiter schwächelnde Wirtschaft bei der Wahl im kommenden November selbst auf die Füße fallen könnte. Die größte Unbekannte ist jedoch der Kurs, den die Tea Party vor der Wahl einschlagen wird. Viele sind mit dem Schuldendeal unzufrieden, weil er nicht ihre gesamten Forderungen einschließt. Gleichzeitig ist laut einer Umfrage seit dem Herbst die Zahl derjenigen, die sich der Bewegung zugehörig fühlen, von 30 auf 25 Prozent gesunken.

Der politische Ton in Washington hat sich seit den letzten Wahlen verändert. Und mit ihrem harten Kurs haben die Tea-Party-Abgeordneten offenbar eine Einigung erreicht, die bis aufs Erste keine Steuererhöhungen einschließt. Es wird sich zeigen, ob sie damit einen Pyrrhussieg errungen haben.

Der Autor arbeitet für das „Wall Street Journal“ und ist derzeit Arthur-F.-Burns-Stipendiat in Berlin. Übersetzt von Moritz Schuller.

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