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Barack Obama: Der Transpazifiker

Barack Obama trift nun doch den Dalai Lama: Seine Chinapolitik ist eine Mischung aus Stillstand und Fortschritt.

Der Wechsel im Umgangston ist unverkennbar. Barack Obama geht vorsichtiger mit China um als sein Vorgänger George W. Bush. Doch ist das bereits der Beweis für eine allmähliche Machtverschiebung auf dem Weg von einer Welt mit nur einer Supermacht zur bipolaren Zukunft durch den Aufstieg Pekings? Oder zeigt sich hier lediglich diplomatischer Pragmatismus?

Obama empfängt heute den Dalai Lama, ungeachtet des Protests aus Peking und der Drohung mit nicht näher beschriebenen ernsten Konsequenzen. So haben es auch seine Vorgänger gehalten. Amerika steht an der Seite unterdrückter Völker. Doch Obama hat sich ein Jahr Zeit gelassen. Im Sommer 2009, als das geistige Oberhaupt der Tibeter nach Washington kam, lehnte er dessen Besuchswunsch ab – das hatte es zuletzt 1991 gegeben. Obama wollte seinen ersten USA-China-Gipfel nicht mit dem Konflikt belasten. Die vereinte Abwehr der globalen Finanzkrise, das Handelsdefizit samt dem Streit um den Umtauschkurs Renminbi/Dollar und die Suche nach einem gemeinsamen Kurs für den Klimagipfel in Kopenhagen hatten Vorrang.

Auch das nachgeholte Treffen heute fällt ab im Vergleich zur Bush-Zeit. Der hatte den Dalai Lama öffentlich empfangen und ihm 2007 im Kongress die goldene Verdienstmedaille für sein gewaltfreies Werben um Frieden, Toleranz und Freiheit für Tibet umgehängt. Obama trifft den Gast hinter verschlossenen Türen. Schon bei seinem Chinabesuch wurde ihm der Vorwurf gemacht, er sei zu nachgiebig. Peking verweigerte die Übertragung seiner Rede zur Freiheit im Internet und die Debatte mit Studenten im Fernsehen.

Unter Bush hatte es freilich ähnliche Kritik gegeben. Auch er suchte nach einer Balance zwischen Freiheitssymbolik für Tibet und demonstrativem Respekt vor China. Er informierte Präsident Hu Jintao vorab über die Ehrung für den Dalai Lama im Kongress und versprach zugleich, zur Olympia-Eröffnung nach Peking zu kommen – ein Achtungserfolg für China. Im Vergleich wirkt Bushs Umgang mit dem Dalai Lama wie eine Vorzugsbehandlung. Doch damals interpretierten die US-Medien das Protokoll für den Tibeter als „low key“ – eher bescheiden. Die USA fühlten sich 2007 stark genug, China entgegenzutreten.

Auch Obama weicht dem Konflikt nicht aus. Taiwan erhält Rüstungsgüter im Wert von 6,4 Milliarden Dollar. Er unterstützt Googles Drohung, sich aus China zurückzuziehen, wenn die Zensur nicht nachlässt. Zugleich sucht er Pekings Hilfe für Sanktionen gegen den Iran und in den Atomverhandlungen mit Nordkorea. Das Weiße Haus hat auch die Gespräche zwischen China und den Abgesandten des Dalai Lama über Tibets Zukunft im Blick; in der jüngsten Runde gab es teils Fortschritte, teils Stillstand. Es ist noch längst nicht ausgemacht, ob Obamas Chinapolitik eine bleibende Machtverschiebung ausdrückt oder der aktuellen Weltlage geschuldet ist und wieder selbstbewusster wird, sobald die USA die Wirtschaftsflaute überwinden und sich international weniger abhängig fühlen.

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