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Bauausstellung: Berlin - Bitte eine Nummer größer

Tegel, Tempelhof, Mitte: Es gibt viel zu tun für Architekten und Stadtplaner in Berlin. Eine dritte Internationale Bauausstellung darf nicht beim sozialen Wohnungsbau stehen bleiben.

Preisfrage: Was ist eine Modellstadt für nachhaltige Urbanität? Lassen Sie sich nicht lange auf die Folter spannen. Der Satz steht im Koalitionspapier der neuen rot-schwarzen Landesregierung und beschreibt das Berlin der Zukunft aus der Sicht von SPD und CDU. Es finden sich noch andere Begriffe wie "Wissenschaft", "Wirtschaft" und "Wohnen", von Zukunftsorten ist die Rede und natürlich von der Nachnutzung der beiden innerstädtischen Ex- und Noch-Flughäfen Tempelhof und Tegel. Wir ahnen: Wenn die Politik in Berlin von Zukunft redet, geht es erst einmal um die Bewältigung von Vergangenheit. Dabei will sich diese Regierung, genauso wie ihre Vorgängerin, nicht nur auf eigenen Sachverstand verlassen, sondern in einer Internationalen Bauausstellung Architekten und Stadtplaner aus aller Welt einladen, über die Stadt von morgen nachzudenken.

Es wäre die dritte Veranstaltung dieser Art, wenn man von einer Vorläuferin zu Beginn des 20. Jahrhunderts absieht. Die erste IBA, die von 1957, wollte Berlin auf dem von allen Trümmern des Bombenkriegs abgeräumten Hansaviertel unter konsequenter Negation der alten Stadt neu erfinden und den freien Westen der damals noch nicht geteilten Stadt wie ein Schaufenster für die Welt dekorieren. Herausgekommen ist ein lebenswertes Quartier mit einigen ästhetisch anspruchsvollen Bauwerken. Mit der Realität der Großstadt hat das aber nicht viel zu tun. Die zweite IBA, die von 1984/87, setzte unter Leitmotiven wie Bauen im Bestand, kritische Rekonstruktion und behutsame Stadterneuerung weltweit bis heute gültige Maßstäbe für den weitsichtigen Umgang mit dem architektonischen Erbe der Metropolen.

Ausgefallene Architekturentwürfe für Berlin hier in Bildern:

Was soll nun eine dritte IBA, für die auch der neue Senator für Stadtentwicklung wirbt? Mit planerischem Alltagsgeschäft sollte sie sich jedenfalls nicht befassen. Natürlich fehlt es in Berlin an innerstädtischem Wohnraum zu bezahlbaren Preisen. Den zu schaffen, müsste der Kommunalpolitik jedoch aus eigener Kraft gelingen, etwa wenn sie, wie schon vor 20 Jahren am Potsdamer Platz geschehen, bei neuen Verwaltungs- und Bürobauten auch Wohnraumquoten vorschreibt. Den sozialen Wohnungsbau könnte sie auch ohne eine IBA befördern. Die Zukunftsaufgaben liegen, wie erkannt, in Tegel und Tempelhof, wobei für die Planung im Norden Berlins weit konkretere Vorstellungen bestehen als für das Tempelhofer Feld.

Völlig ungelöst ist die Zukunft der zentralen Brache zwischen Fernsehturm, Nikolaikirche und Rathaus. Berlins Mitte einfach zu fluten oder in eine Grünfläche zu verwandeln, wäre erschütternd ahistorisch, fantasielos und ein Verschleudern städtebaulichen Potenzials. Und was ist mit den völlig ungelösten Stadt-Umland-Beziehungen, mit der teilweise genauso chaotischen wie deprimierenden baulichen Entwicklung entlang der großen Ausfallstraßen?

Da müssen bald Prioritäten gesetzt werden, wenn die IBA 2020 keine Worthülse bleiben soll. Der engagierte neue Senator Michael Müller hat dafür ein gutes Team beieinander. Seine Stadtbaudirektorin Regula Lüscher ordnet schon länger mit schweizerischer Zurückhaltung und der Fähigkeit, zuzuhören, die vielfältigen Anregungen. Mit dem Bezirksbaustadtrat Ephraim Gothe holte er sich einen Fachmann als Staatssekretär, der bewiesen hat, wie man Bürger in die Stadtplanung einbindet. Also: Nichts wie ran an die nachhaltige Urbanität.

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