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Bebelplatz: Laufsteg des Gedenkens

Ein Sieg der Symbolik – die Fashion Week verlässt den Bebelplatz.

Bald zehn Jahre ist der SPD-Abgeordnete Ralf Hillenberg nun Vorsitzender im Petitionsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit. Doch jetzt hat er die seltene Chance, sich als Empörungsmodel auf dem politischen Laufsteg zu präsentieren. Zum ersten Mal seit Hillenberg amtlich mit den Eingaben sich unrecht behandelt fühlender Bürger zu tun hat, wird er direkt den Senat zum Handeln auffordern: Die Fashion Week soll weg vom Bebelplatz.

Der Petitionsausschuss folgt damit einer Initiative, die sich gegen „die verantwortungslose Vernutzung“ des Bebelplatzes wendet. 1933 verbrannten hier die Nazis Bücher, die sie „undeutsch“ nannten; hier erinnert seit 1995 das unterirdische Denkmal des Künstlers Micha Ullmann an diese Tat; hier werden Buddy-Bären aufgereiht, Eisbahnen gelegt, Zelte errichtet. Das passt nicht zusammen, finden Berliner Bürger, die Gehör gefunden haben im Ausschuss.

Neu ist der Widerstand gegen die „Verbudisierung“ zentraler Stadtplätze nicht; neu aber ist das Tempo, mit dem hier Vollzug gemeldet wird. Kaum ist die Initiative bekannt geworden, die sich explizit gegen die Fashion Week an diesem Platz richtet, erklären die Modeveranstalter: „Wir beugen uns der öffentlichen Meinung“ – und schon suchen sie nach einem anderen Ort.

Nun kann man sich zwar fragen, wer hier welche öffentliche Meinung repräsentiert; aber es passt einfach alles: der Zeitpunkt kurz vor Beginn der Schauen an diesem Mittwoch, die Aktionsform und auch die Symbolik. So fordert die Initiative dazu auf, das Denkmal just zur Modewoche zu besuchen. Ähnliche Protestformen sind vor allem von Aktivisten aus dem autonomen Spektrum bekannt und garantieren eine gewisse Aufmerksamkeit, besonders dann, wenn es rein zufällig zu Rangeleien kommt. Die Symbolik dazu ist einfach unschlagbar: das Gedenken an den Naziterror, mit High-Heels getreten und Champagner begossen. Wer ist schon für so einen frivolen Frevel?

Nur ist in der kurzen und heftigen Aufregung doch einiges durcheinandergeraten und manches untergegangen. So unterscheidet beispielsweise der SPD-Mann Hillenberg nach nicht näher definierten Kriterien, was gut ist und was schlecht für den Bebelplatz. Wenn Klassikfreunde sich dort versammeln, um der von Daniel Barenboim dirigierten Staatskapelle zu lauschen, ist das für ihn in Ordnung. Die Fashion Week dagegen ist „Halligalli“ und hat dort nichts verloren. Das klingt eher nach Ressentiment als nach Ratio. Auch ist der Zugang zum Denkmal, gefordert von der Initiative, durchaus gegeben, trotz Zelt – und es wird, anders als sonst, mit Schautafeln darauf hingewiesen. Mehr Interesse fand die unterirdische, leere Bibliothek, abgedeckt mit einer Kunststoffscheibe, bisher noch nie.

Die Fashion Week war schon am Brandenburger Tor und am Postbahnhof, sie wandert weiter, so war es ohnehin geplant. Das Denkmal, gebaut aus der Leere und aus der Ruhe, wie der Künstler sagt, bekommt Leere und Ruhe zurück.

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