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Meinung: Bei allem Respekt

CIA-Flüge: Angela Merkel traf gegenüber Condoleezza Rice den richtigen Ton

Von Robert Birnbaum

Es hat sich für die Union schon mehrfach gerächt, dass sie nie bereit war, Außenpolitik auf Kosten der Beziehungen zu Amerika zu betreiben. An diesem Dienstag hat sich die transatlantische Prinzipientreue zum ersten Mal ein bisschen gelohnt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat der US-Außenministerin Condoleezza Rice einige Sätze zum Thema „Geheimdienste und Rechtsstaat“ sagen können, die – gemessen an diplomatischen Gebräuchen – deutlich waren. Rice hat sich die Sätze angehört und ihrerseits amerikanische Fehler eingestanden.

Das klingt zunächst nach wenig angesichts der Vorwürfe: CIA-Geheimgefängnisse in Osteuropa, in denen vorgebliche Terroristen gefoltert werden, deutsche und andere europäische Flughäfen als Zwischenstopps für verschleppte Häftlinge. Der Impuls ist groß, von der neuen Regierungschefin Merkel starke Worte zu verlangen. Er ist umso größer, als sich die Vorgängerregierung gerade im Verhältnis zur Bush-Regierung solcher Standfestigkeit stets gerühmt hat. Aber ausgerechnet dieser CIA-Skandal führt auf vertrackte Weise vor, wie wenig man im Feld der internationalen Beziehungen auf starke Worte geben soll.

Denn die Hinweise mehren sich, dass schon in der rot-grünen Regierung einige einiges über die Entführungspraxis wussten. Der Deutsch-Libanese Khaled al Masri hat seinen Fall selbst publik gemacht: Von CIA-Leuten als Terrorist verdächtigt, nach Afghanistan verschleppt und misshandelt, erst nach fünf Monaten wieder laufen gelassen. Rice hat eingestanden, dass da ein „Fehler“ passiert sei – wobei sie offen ließ, ob der Fehler in ihren Augen einfach nur darin bestand, dass die Geheimen den Falschen misshandelt haben. Aber das deutsche Problem mit der Sache ist ein ganz anderes: Es gibt Anhaltspunkte, dass die USA dieses Eingeständnis schon gegenüber der alten Regierung gemacht haben – die den peinlichen Fall für sich behielt. Keine starken Worte.

Nun kann man das unter „Realpolitik“ verbuchen. Außenpolitik ist ja gerade deshalb ein so ungeheuer schwieriges Feld, weil sich andere Staaten nicht mit vorgehaltenem Grundgesetz ihr Verhalten vorschreiben lassen. Nur steht dieser Realitätssinn in eigentümlichem Kontrast zum konfliktfreudigen moralischen Anspruch der sonstigen starken Worte.

Merkel hält es da mehr mit der klassischen Diplomatie: Tritt dem anderen nicht auf die Füße, aber vertritt eine möglichst klare Grundhaltung. Konkret: Geheimdienstarbeit ist nötig, aber die Geheimen müssen die Regeln der Demokratie und des Rechtsstaats achten. Das ist keine direkte Rüge, aber doch ein Hinweis in aller Freundschaft. Merkel kann ihn sich leisten, weil ihre Freundschaft zur USA prinzipiell außer Zweifel steht. Es liegt damit also nun an der Führung in Washington, sich ihrerseits im Sinne guter Beziehung zu verhalten. Das ist wenig? Das ist in etwa das, was eine Mittelmacht einer Weltmacht entgegensetzen kann.

Und was das innerdeutsche Problem angeht: Merkel hat es den Protagonisten der alten Regierung zu lösen aufgetragen. Wenn man so will, auch dies eine höchst diplomatische Vorgehensweise.

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