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Meinung: Belgrader Sperrmüll

Das Wahlergebnis ist ermutigend – doch auch Europa muss Serbien jetzt etwas bieten

Von Caroline Fetscher

Man hört es rumpeln. Das Haus wird umgeräumt. Serbien hängt zwar ganz offensichtlich weiter an seinem nationalistischen Mobiliar. Altbekannte Kungelecken und Zierdecken sind weiter zu sehen. Doch der Ausgang der Parlamentswahlen am Sonntag beweist zugleich, dass viele im Land neue Räume einrichten und Sperrmüll ausrangieren wollen.

Auf den ersten Blick sieht die Lage in den Augen demokratischer Nachbarn grauslich bis grotesk aus: Knapp 30 Prozent der Wählerstimmen wanderten zu der Serbischen Radikalen Partei, an eine Partei, angeführt von Vojislav Seselj, der sich vor dem UN-Tribunal in Den Haag wegen Mord, Folter, Deportationen, Verwüstung von Kulturgütern und ähnlicher Verbrechen verantworten muss.

Beobachter, die einen weit höheren Stimmenanteil befürchtet hatten, atmen dennoch auf. Zu einer absoluten Mehrheit hat es für Seseljs Mann in Belgrad, den gelernten Totengräber Tomislav Nikolic, nicht gelangt. Ihr Maximum haben die Radikalen jetzt erreicht, und von nun an geht es für sie bergab – das ist auch eine Generationenfrage.

Anlass zu dieser Einschätzung bietet einiges. Mit 60 Prozent lag die Wahlbeteiligung hoch wie lange nicht, die angeblich so lethargischen Bürger wollen also wieder mitreden. Gut die Hälfte von ihnen entschied sich für Parteien, die die Öffnung nach Europa befürworten, auch wenn einige – teils aus taktischen Gründen – nationalistische Phrasen droschen, und keine der größeren bisher als Leuchtturm der Aufklärung bezeichnet werden kann. Gar keinen Einfluss mehr ausüben kann jetzt die dubiose „Serbische Erneuerungsbewegung“ des bisherigen Außenministers Vuk Draskovic. Sein Gesicht wird am Fenster des serbischen Hauses nicht mehr auftauchen. Mehr hören hingegen werden wir künftig von dem klar denkenden Demokraten Cedomir Jovanovic, dessen Liberale ins Parlament einziehen.

Von einem Bündnis mit Demokraten haben sich die Ultranationalisten bereits komplett ausgenommen, nach einer klugen Koalitionsbildung wäre ein demokratischer Wendepunkt möglich. Was kommt wird dennoch dornig, tiefgreifende Reformen sind unumgänglich. Nicht einmal im Keller des Hauses Serbien darf ein Porträt des Völkermörders Ratko Mladic an der Wand bleiben. Mladic nach Den Haag: Auf diese Forderung darf der Westen nicht verzichten. Nur konsequenter Druck kann da der neuen Regierung helfen. Unumgänglich wird auch eine neue Haltung zum Kosovo, dessen schrittweise Unabhängigkeit jetzt auf der internationalen Agenda steht. Obwohl jeder im Land weiß, dass die südserbische Provinz Kosovo verloren ist, schallt das Echo heftigster Debatten schon aus der Zukunft herüber. Die werden alle aushalten müssen, auch wir.

Allerdings: Etwas geben und bieten muss der Westen unbedingt auch. Ein erster, einfacher Schritt: Junge Leute aus Serbien müssen Visa für die Europäische Union erhalten, anstatt wie Parias ausgeschlossen zu bleiben. Reisefreiheit und Stipendien sind mindestens so wichtig wie Finanzhilfen. Wenn das europäische Haus für die Jüngeren keine Sehnsucht bleiben soll, dann müssen sie es besuchen dürfen – und ihr eigenes verlassen.

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