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Berlin-Bonn-Gesetz: Guten Rutsch

Wer heute Termine in der alten Hauptstadt hat, stellt fest: Da boomt es. Berlin dagegen leidet noch immer an den teilungsbedingten Schwächen.

Im Haushaltsausschuss des Bundestags herrscht partei übergreifend nur eine Leidenschaft: Die Abgeordneten wollen das Geld zusammenhalten. Damit die einzelnen Parlamentarier nicht hinterher von Lobbyisten und politischen Interessenvertretern unter Druck gesetzt werden können, erfährt man in der Regel auch nicht, mit welchen Mehrheiten Beschlüsse gefasst wurden und wer wofür und wogegen war. Schon bevor der Haushaltsausschuss sich jetzt darauf fest gelegt hat, die Teilung der Regierungsaufgaben zwischen Bonn und Berlin regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen, war aber schon bekannt, dass es dafür eine ziemlich breite Zustimmung geben würde. Das hängt weniger mit der Einsicht in Notwendigkeiten zusammen als mit der alten Erkenntnis, dass die Zeit viele Wunden heilt. Bonn steht heute glänzend da, während Berlin immer noch und teilweise sogar mehr denn je unter den teilungsbedingten Schwächen leidet.

Als 1991 der Umzug der Regierung nach Berlin beschlossen wurde und 1994 dann mit dem Berlin-Bonn-Gesetz die Kriterien dafür ausgehandelt wurden, sah das noch ganz anders aus. Am Rhein fürchtete man, zu den großen Verlierern der Wiedervereinigung zu gehören, und die mächtige Nordrhein-Westfalen-Lobby sorgte für Ausgleich – durch Verlagerung von Bundesbehörden und Festschreibung von Dienstsitzen bedeutender, damals bundesnaher, später privatisierter Firmen. Wer heute Termine in der alten Bundeshauptstadt hat, stellt fest: Da boomt es, überall wird gebaut. Im Blick auf die gewachsene wirtschaftliche Infrastruktur gibt es also keine Notwendigkeit mehr, Teile von Ministerien oder gar ganze Dienststellen in Bonn zu lassen. Hinzu kam die normative Kraft des Faktischen. Regiert wird in Berlin und nicht in Bonn. Wer in Politik und Ministerialbürokratie etwas werden will, muss da sein, wo Regierung und Parlament ihren Sitz haben. Alles an einem Ort, das tut gut für „good Governance“ und schont den Geldbeutel. Und weil das alles so schön zusammenpasst, kann der Haushaltsausschuss jetzt mehr Gas geben und den Rutschbahneffekt beschleunigen. Und die Berliner Politik sollte sich still darüber freuen und nicht die große Klappe aufreißen.

Gerd Appenzeller

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