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Gegenseitige Vorwürfe: Dietmar Woidke und Klaus Wowereit.

© dpa

Berlin gegen Brandenburg: Wowereit und Woidke stehen für den Stadt-Land-Konflikt

Vom gemeinsamen Medienrat bis zum Nachtflugverbot am BER: Zwischen Berlin und Brandenburg gibt es derzeit nur Ärger, Miss- und Unverständnisse. Dabei sind die beiden Länder aufeinander angewiesen.

„Früher“, so sprach der Bürgermeister, habe man manchmal skeptisch auf das Umland geblickt. Mancher habe über die Folgen der Suburbanisierung geschimpft, als die Einwohnerzahl der Stadt schrumpfte. Diese Skepsis sei überwunden. „Die Zeit der Eifersucht ist vorbei und der Stadtstaat begreift sich von ganzem Herzen als Teil der Metropolregion mit ihren bald fünf Millionen Einwohnern.“

Der Bürgermeister, der so frohgemut über seine Metropolregion redete, heißt natürlich nicht Klaus Wowereit, sondern Olaf Scholz, Erster Bürgermeister von Hamburg. Wichtiger als die Tatsache, dass die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg eher sechs als fünf Millionen Bewohner hat, ist der Scholz’sche Ton – das krasse Gegenteil zu dem unterkühlten Gegeneinander der Regenten der Hauptstadtregion, Klaus Wowereit und Dietmar Woidke, als sie vor Tagen ein berlin-brandenburgisches Beziehungsgespräch führten.

Vom gemeinsamen Medienrat bis zum Nochnichtganzfertig-Flughafen: nur Ärger, Miss- und Unverständnisse. Im Zentrum allen Unverständnisses stehen BER und die unterschiedlichen Auffassungen zu den Nachtflügen. Hier Woidke mit seiner – derzeit unzutreffenden – Behauptung, Berlin exportiere Fluglärm nach Brandenburg; lauter denn je ist es in und um Tegel. Da der Weltstadtbürgermeister Wowereit, der es nicht ertrüge, wenn der Möchtegern- zum Provinzflughafen mit Tageslichtbetrieb würde. Woidke markiert den Landesvater, weil am 25. Mai Kommunalwahlen bestanden werden wollen. Wowereit will einen Hochbetriebs-BER, damit er nicht als Gescheiterter in die Stadtgeschichte eingeht.

Dass Wowereit und Woidke derart undiplomatisch über die gemeinsamen Beziehungen reden, liegt indes nicht nur an der Problembaustelle mit funktionsfähigen Landebahnen. Der Stadt-Land-Kontrast hat noch ganz andere Ursachen – die Flughafenstreitereien bringen ihn nur überdeutlich zum Ausdruck.

Gewiss: Wäre BER endlich in Betrieb, könnten beide gemeinsam stolz sein auf die den Leuten immer versprochene „Jobmaschine“. Und sie könnten gelassen auf die seit 2004 preußisch-korrekt veröffentlichen Fortschrittsberichte über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg verweisen: wird schon alles noch. Zuletzt waren es 30 Seiten, auf denen von allerlei Gemeinsamkeiten, länderübergreifenden Konferenzen und Netzwerken zu lesen war. Man arbeite an einem gemeinsamen „Clustermonitoring“, um die Region und ihre Unternehmen mit anderen Wirtschaftsregionen vergleichen zu können, immerhin auf einer gemeinsamen Datenbasis. Die Wirtschaftsförderer in Berlin und Brandenburg haben ihre Zusammenarbeit „kontinuierlich fortgesetzt“. In Brüssel, bei der EU war die Zusammenarbeit der beiden Länderbüros gar „eng und vertrauensvoll“. Das liest sich begeisternd.

Macht man sich indes bewusst, wie eng verbunden Berlin und Brandenburg allein auf dem Arbeitsmarkt sind, kann man sich über Wowereit und Woidke nur wundern. 190.000 Brandenburger arbeiten in Berlin, 78.000 Berliner in Brandenburg. Nur Politiker, die in den Bürgern nichts anderes sehen als Steuerzahler, können die Gemeinsamkeiten übersehen: Die Bruttosozialprodukte Berlins und Brandenburgs entstehen zu nicht geringen Teilen mit gegenseitiger Hilfe.

Doch in der Politik und manchmal auch im zivilen Leben herrscht grenzüberschreitendes Unverständnis. Wowereit und Woidke personifizieren es geradezu: Der Regierende, der sich nichts anderes vorstellen will, als Berliner zu sein. Der Ministerpräsident, der so tut, als wäre es des Märkers Schicksal, von Berlin kleingehalten zu werden. Da hatten die Länderfusions-Vorkämpfer Eberhard Diepgen und Manfred Stolpe mehr Verständnis für einander. Das hat mit Stadt und Umland nichts zu tun, das ist Stadt gegen Land – als gäbe es nur einen richtigen Lebensstil. „Wenn man viele konkrete und manchmal auch kleine Schritte zustande bringt, verbessert sich jedes Mal das Miteinander.“

Das war natürlich Olaf Scholz.

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