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Meinung: Berlin in der Krise: Aus Schaden dumm werden

Berlin ist handlungsunfähig? Nun mal halblang.

Berlin ist handlungsunfähig? Nun mal halblang. Aber es kann schon sein, dass wir es noch schaffen, diesen Zustand herbeizuführen. Mit Fassungslosigkeit sieht man jedenfalls seit Wochen, wie die beiden großen Parteien auf eine Situation zurasen, welche die Politik in dieser Stadt außer Kontrolle geraten lassen könnte. Die Akteure, die die Zuspitzung vorantreiben, zeigen selbst alle Symptome von Getriebenen, den fatalen Drang vor allem, immer noch eins draufzusetzen. Keiner achtet auf mögliche Folgen. Keiner weiß, wie der Knoten gelöst werden kann, den sie mit solcher Taktik produzieren. Sind sie sich im Klaren darüber, an welchem Abgrund sie operieren?

Gewiss, die SPD-Führung will die Neuwahlen nicht, die sie auf ihrem heutigen Parteitag als Drohung hochhalten wird. Sie will die Affäre Landowsky nur ausquetschen, bis das Blut kommt. Sie sieht die Chance, endlich aus der Defensive herauszukommen. Doch es ist ja nicht auszuschließen, dass es Leute gibt - in der Partei und außerhalb von ihr -, die das Herumfuchteln mit Neuwahlen nicht nur als taktisches Spiel betrachten, die finden, dass man nicht ewig sticheln kann, ohne zu stechen, und dass ein Ultimatum irgendwo lächerlich wird, wenn es nicht auf ein Ultimo hinsteuert. Die CDU ihrerseits hat sich verstrickt in ihren Treue-Schwüren gegenüber ihrem Fraktionsvorsitzenden und unterdrückt die Zweifel, wie lange das gut gehen wird, mit der Arroganz, dass ihr keiner kann.

Hoffentlich wachen beide Parteien auf, bevor die Politik im Graben liegt. Denn Neuwahlen machen keineswegs alles neu, wie schlichte Gemüter glauben, schon gar nicht in Berlin. Sie würden vermutlich an den Tag bringen, in was für einer labilen Lage sich die Stadt befindet - CDU-Weststadt da, PDS-Oststadt dort. Überdies hat Landowsky schon in aller Brutalität gezeigt, wie der Wahlkampf aussehen würde. Es kann auch sein, dass das letzte Gefecht gegen ein rot-rot-grünes Berlin, das er ankündigt, die SPD am Boden zerstören würde. Auf jeden Fall aber würde eine solche Schlacht um Berlin schlimme Flurschäden hinterlassen. Die Stadt sähe danach anders aus. Und wenn es am Ende dann doch wieder darauf hinauskommt, dass rechnerisch nur eine große Koalition möglich ist, wäre es mehr als zweifelhaft, ob der Kraftakt zum vierten Male gelingen kann, die beiden Großparteien in die ungeliebte Koalition zu zwingen.

Es kann aber auch sein, dass sich inzwischen in der Stadt jenseits dieser Stabilisierungs-Achse neue Konstellationen herausgebildet haben - staatserhaltende Grüne, eine PDS, die nichts im Sinne hat als die verlässliche Gestaltung einer Einheit, die sie nicht gewollt hat. Aber wollen wir das wirklich ausprobieren - jetzt, wo der Stadt das Wasser bis zum Halse steht? Wo es darauf ankommt, ihr Bild der Bundesrepublik als Hauptstadt neu einzuprägen? Niemand soll sich einreden, dass die Bankgesellschaft allein an der Finanzmisere schuld ist. Der Lärm des Parteienstreits lenkt im Moment davon ab, dass sich die Stadt in einer fast unlösbaren Lage befindet, mit und ohne Bankgesellschaft-Millionen.

Man gönnt der SPD ja gerne das rare Gefühl der Geschlossenheit, das sie auf diesem Parteitag auskosten wird. Aber wichtiger wäre es, wenn sie sich fragte, wie sie die Geister bannen will, die sie ruft. Klaus Landowsky aber muss sich die Frage stellen, ob er wirklich für seine Partei noch mehr tun kann als einen baldigen, geordneten Rückzug. Und alle Parteien sollten aufhören von der Stadt zu reden, wenn sie die Partei meinen. Das hält die Stadt auf Dauer nicht aus. Die Parteien übrigens auch nicht.

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