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Meinung: Berlin in der Krise: Zu groß die Nische

Wir brauchen keinen Rat von der Parteispitze, sagt der Berliner CDU-Fraktionschef Frank Steffel, und Hilfe bei der Suche nach einem Spitzenkandidaten erst recht nicht. Steffel, als Nachfolger von Klaus Landowsky erst ein paar Wochen im Amt, gibt sich selbstbewusster, als es der Zustand der Berliner CDU erlaubt.

Wir brauchen keinen Rat von der Parteispitze, sagt der Berliner CDU-Fraktionschef Frank Steffel, und Hilfe bei der Suche nach einem Spitzenkandidaten erst recht nicht. Steffel, als Nachfolger von Klaus Landowsky erst ein paar Wochen im Amt, gibt sich selbstbewusster, als es der Zustand der Berliner CDU erlaubt. Die Partei ist tief verunsichert. Das zeigt sich, zum Beispiel, an dem unabgestimmten Vorschlag aus der Fraktionsspitze, schnell die Verfassung zu ändern und den Regierenden Bürgermeister direkt wählen zu lassen. Das zeigt sich auch an der Unentschlossenheit, einen Wahltermin festzulegen. Das ist, nicht zuletzt, dem Landesvorsitzenden und Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen ins Gesicht geschrieben.

Zum Thema Online Spezial: Das Ende der Großen Koalition Anfang vom Ende: Die Finanzkrise in Berlin TED: Soll der Regierende Bürgermeister direkt gewählt werden? Fototour: Die Bilder der Krise Dazu passt die letzte, verzweifelte Hoffnung, dass dem SPD-Kandidaten Klaus Wowereit vielleicht doch noch entscheidende Stimmen fehlen. Oder den neuen Senatoren. Ganz auszuschließen ist das nicht - die Wahl ist geheim. Dann würde Diepgen, obwohl abgewählt, weiter amtieren. Aber die SPD genießt ihre rauschhafte Einigkeit. Den Spaß möchte sich niemand verderben. Die CDU bleibt gelähmt.

Die Bundespartei, selbst nicht in bester Verfassung, kann nicht mehr nur zusehen. Es ist nur noch ein Jahr bis zur Bundestagswahl, da bekommt die Landesregierung in Berlin nationale Bedeutung. Deshalb will sie diesen desolaten Landesverband nicht mehr sich selbst überlassen. So schnell wie möglich soll gewählt werden, rät das Bundespräsidium, und widerspricht damit den Parteifreunden aus Berlin. So schnell wie möglich soll Diepgen sagen, ob er noch einmal antreten will, drängt die Vorsitzende Angela Merkel. Sie sagt es freundlich, aber sie meint es ernst: Diepgen soll gehen. Rat und Hilfe bietet sie an, auch personell - ein außergewöhnlicher Eingriff. Er ist, weil öffentlich vollzogen, eine Erniedrigung.

Mehr geht nicht: Die Bundespartei kann den Landesverband zu nichts zwingen. Und die Berliner CDU meint ja, mit den Problemen schon allein fertig zu werden. Die personellen Folgen liegen auf der Hand. Wenn Diepgen verzichtet, was sehr wahrscheinlich ist, bleiben für den kommenden Wahlkampf nur zwei Kandidaten als Herausforderer Wowereits übrig: der Noch-Finanzsenator Peter Kurth und der forsche Steffel.

Beide sind jung, Kurth 41, Steffel 35. Beide sind sich ihrer Schwächen bewusst. Kurth fehlt es an der Hemmungslosigkeit, um politische Gegner mit Wirkung zu treffen und damit die eigene Partei zu begeistern. Steffel fehlt es an politischer Erfahrung und an Anerkennung außerhalb der CDU. Zugleich beschreiben die Schwächen auch die Stärken des jeweils anderen. Darauf könnten beide aufbauen. Aber für beide kommt eine Kandidatur für das Amt des Regierenden Bürgermeisters zu früh. Das gilt für Steffel noch mehr als für Kurth.

Nur: zu früh ist dann kein Argument, wenn einer von beiden antreten muss - und das will die Berliner CDU offenbar. Also: Steffel hat bei Landowsky gelernt. Zu gut sogar. Man sieht Steffel und hört Landowsky. Das gefällt einem Teil der CDU, und damit sind Stimmen zu holen. Die Frage ist, ob es die richtigen sind - und ob sie reichen. Diepgen und Landowsky hatten der alten CDU vor Jahren das Image einer modernen Großstadtpartei verpasst. Aber was damals modern war, ist heute gestrig, und die Großstadt von damals hieß West-Berlin. Das neue Berlin ist anders: Es ist Ost und West, alt und neu. Steffel repräsentiert erst einen Teil davon. Mit ihm begäbe sich die CDU, jedenfalls in diesem kommenden Wahlkampf, zurück in eine Nische. Steffel steht, so jung er auch ist, mehr für das alte Berlin. Kurth hat in der Wirtschaft gelernt. Das kann nützlich sein, gerade bei den Problemen der Stadt. Kurth könnte die CDU eher öffnen als Steffel - wenn sie das überhaupt will. Denn das erfordert Mut zur Mitte, und anstrengender wäre es auch.

Mit Steffel an der Spitze erhebt die CDU nur den Anspruch, den alten Westen in die neue Zeit zu begleiten. Das reicht nicht einmal, um sich in der Opposition zu regenerieren. Mit Kurth würde sie den Anspruch behaupten, das neue Berlin zu regieren. Immerhin das. Aber ob es dazu auch reicht, ist damit noch längst nicht gesagt.

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