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Die Hauptstadt boomt: Die Zahl der Berlin-Besucher ist kräftig gestiegen.

© dpa

Berlin ist beliebt: Millionen Touristen können nicht irren

Die Berliner nörgeln andauernd, dass es hier provinziell zugeht, die Straßen viel zu dreckig sind und die Busfahrer notorisch unfreundlich. Doch die vielen Touristen sehen das offenbar ganz anders. Berlin ist für Menschen aus aller Welt ein Faszinosum.

Die Römer sind begeistert: unzählige Straßenbäume, wo sie nur karges Pflaster kennen, breite Straßen ohne den notorischen Stau der römischen Magistralen, und in der Gemäldegalerie gibt es mehr italienische Großmaler zu sehen als in ihrer römischen Heimat. Und die Restaurants sind so günstig, dass sie an eine Rechenschwäche der Berliner Wirte glauben.

Hilfe! Was müssen wir denn noch tun, damit die Touristen nicht mehr kommen? Die Berliner sorgen schon dafür, dass der Airport nicht fertig wird, protestieren gegen die widerlichen Touristenströme, machen Unter den Linden zur Baugrube – und die Reisenden lassen sich dennoch nicht abschrecken. Elf Prozent mehr Besucher als im Vorjahreszeitraum. Unerklärlich. Dabei nörgeln wir Berliner beständig, dass es hier provinziell zugeht, die Straßen viel zu dreckig sind und die Busfahrer notorisch unfreundlich. Eine Servicewüste sind wir auch noch.

Irgendwie scheinen die Menschen, die aus aller Welt in die deutsche Hauptstadt kommen, das anders zu sehen. Ob es die nachwirkenden Bilder des Sommermärchens 2006 sind oder Berlin als Trutzburg der EU-Zuchtmeisterin Angela Merkel eine Besichtigung wert zu sein scheint, ist egal. Die Gründe, um Berlin zu besuchen, sind jedenfalls vielfältig. Berlin kann für jede Zielgruppe, für jedes Interesse, ein Angebot machen, das in Europa einzigartig ist: Auch 23 Jahre nach dem Mauerfall fasziniert der Ort, wo der Kalte Krieg fast zu einem Heißen geworden wäre; locken die Schätze der 160 Museen die Kunstliebhaber aus aller Welt, geht vom Clubleben eine Faszination für junge Menschen aus, und für die weltweite Gay-Community ist Berlin ein unverzichtbares Stopover. Dass die hiesigen Hotels beste Qualität zum Sparpreis bieten, kommt dazu.

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Berlin hat sich an den Touristenstrom schon so sehr gewöhnt, dass darüber leicht vergessen wird, wie wichtig diese Ressource für die hiesige Wirtschaftslage ist. Die Stadt kann auf Dauer nicht allein von Dienstleistung leben, wenn die höchste Arbeitslosigkeit der Republik endlich sinken soll, und sie benötigt ein Geschäftsmodell, bei dem auch die Industrie eine Rolle spielt. Aber für jene hunderttausend Menschen, denen Hotels und Gastronomiebetriebe trotz geringer Qualifikation eine Chance auf einen Job bieten, ist dies eine unverantwortliche Mäkelei.

Noch kann Berlin weiter zulegen: viel Geschichte, pralle Kultur, Events in allen Jahreszeiten – und ein enormes Potenzial, in der unfertigen, ständig wandelbaren Stadt jede Menge eigene Entdeckungen zu machen und Geheimtipps zu erkunden, die wirklich noch welche sind und nicht schon im „Lonely Planet“ stehen. Denn daher droht die größte Gefahr: eine uniforme, langweilige Stadt zu werden, die ihren Charme verliert. Dann ziehen – wie einst in Prag und Barcelona – erst die Kreativen weiter, die einer Stadt den hippen Flair verschaffen, dann bleiben die Reisenden aus.

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