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Meinung: Berlin sucht seinen Platz

Wowereit will die Hauptstadt im Grundgesetz verankern

Wenn sich am Donnerstag und Freitag die Mitglieder der Föderalismuskommission zum zweiten Male, diesmal in Potsdam, treffen, werden sie über einen Brief des Regierenden Bürgermeisters von Berlin diskutieren können. Klaus Wowereit unterbreitet seinen Kolleginnen und Kollegen aus Bund und Ländern den Vorschlag, Artikel 22 des Grundgesetzes zu ergänzen. Bislang ist dort nur festgeschrieben, dass die Farben der Bundesflagge schwarz-rot-gold sind. Künftig soll man im Artikel 22 auch nachlesen können, wie die Hauptstadt Deutschlands heißt und dass der Bund sich verpflichtet, diese Stadt so zu unterstützen, dass sie eine hauptstadtbezogene Infrastruktur unterhalten und die angemessene Repräsentation des Bundes garantieren kann.

Nachtigall, ick hör’ dir trapsen, denkt da vielleicht der notorische Nörgler. Und, natürlich: Dem Regierenden Bürgermeister geht es auch ums Geld. Aber die Initiative, Berlin als Hauptstadt im Grundgesetz zu verankern, flankiert – und das ist entscheidend – im konstitutionellen Bereich die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zur Absicherung der finanziellen Zukunft der Stadt. Der Gedanke, den Artikel 22 zu erweitern, ist logisch, und er ist auch nicht neu. Bereits 1966 wurde im führenden Grundgesetzkommentar Maunz- Dürig bei der Interpretation des Artikel 22 mit einem gewissen Erstaunen festgestellt, dass die deutsche Verfassung weder eine Nationalhymne noch einen Nationalfeiertag oder eine Hauptstadt festschreibt. Und weitsichtig schrieb der Kommentator damals, also fünf Jahre nach dem Mauerbau, dass nichts dagegenstünde, wenn die wichtigsten Verfassungsorgane eine provisorische Hauptstadt festlegten und ihre Entschlossenheit erklärten, sich in einer anderen Stadt zu etablieren, sobald die politischen Verhältnisse das zulassen.

Es ist eine weitsichtige Initiative, die der Senat hier ergriffen hat. Und indem Klaus Wowereit sie der vom Bundespräsidenten geförderten Föderalismuskommission präsentiert, spielt er den Ball an die richtige Stelle. Denn dort beraten Vertreter von Bund und Ländern über das künftige Verhältnis zueinander, und beide, Bundestag und Bundesrat, müssen ja später eine etwaige Grundgesetzänderung mittragen. Im Artikel 106 des Grundgesetzes haben die Berliner Verfassungsrechtler zudem auch noch die juristische Unterfütterung ihres Wunsches gefunden. Der verpflichtet den Gesamtstaat, den Gemeinden jene Aufwendungen zu erstatten, die durch Institutionen des Bundes entstehen. Es dürfte also schwer fallen, das Anliegen des Senates einfach zurückzuweisen.

Gerd Appenzeller

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