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Welches Berlin wollen wir? Und wer soll es bezahlen?

© pa/dpa

Berlin und der Bund: Ein ungeklärtes Verhältnis

Ist Berlin ein Land wie jedes andere? Oder braucht die Hauptstadt besondere Mittel, weil sie doch den Gesamtstaat repräsentiert und spezielle Verpflichtungen hat? Ein Kommentar.

Es war am Donnerstagabend, gegen halb neun. Die Sonne war gerade untergegangen. Über dem Pariser Platz lag das Licht eines ausklingenden warmen Frühlingstages. Es war ganz ruhig, fast andächtig still, obwohl Hunderte von Menschen dort standen und sich kaum bewegten. Sie schauten wie verzaubert zum Brandenburger Tor und auf die Häuser, die den Platz säumen. Manche deuteten auf markante Punkte der Stadtsilhouette, flüsterten sich wohl zu, was sie erkannten. Man verstand sie nicht, sah aber, dass sie aus aller Welt kamen. Hätte jemand in diesem Moment die Frage gestellt, wo das Herz Deutschlands schlägt, wäre nur eine Antwort gekommen - hier, in der Mitte Berlins, auf dem Pariser Platz, da ist es.

Das ist nicht nur eine individuelle Gefühlsfrage. Auch der Staat Bundesrepublik Deutschland präsentiert sich in seiner Hauptstadt sehr oft emotional durch Bauwerke und die mit ihnen verbundenen Tiefen und Höhen der deutschen Geschichte. Außer dem Brandenburger Tor und dem Reichstag ist das sicher die Neue Wache Unter den Linden mit der Gedenkstätte für die Opfer von Gewaltherrschaft und Krieg; ist es der Gendarmenmarkt mit dem Schauspielhaus und den beiden Domen. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas gehört dazu, die Mauergedenkstätte in der Bernauer Straße, die Staatsoper, das Deutsche Historische Museum.

Aber vom Bund und den Ländern, vom Gesamtstaat ist, um sich in der Hauptstadt zu repräsentieren, mehr verlangt als der Rückgriff auf Denkmäler und große Architektur der Vergangenheit. Es gibt eine Verpflichtung im Grundgesetz dazu, seit fast acht Jahren. Der Gesetzgeber, der aufgefordert ist, die Lücke zu schließen, drückt sich davor jedoch. Denn seit dem 1. September 2006 erteilt der im Zuge der Föderalismusreform neu gefasste Artikel 22 des Grundgesetzes einen Auftrag in Bezug auf die Hauptstadt Berlin. Die Repräsentation des Gesamtstaates in seiner Hauptstadt sei Sache des Bundes, heißt es dort, und wie das zu geschehen habe, müsse ein Bundesgesetz festlegen. Dass es dieses Gesetz nicht gibt, ist für den Bund bequem, für Berlin unangenehm und für das Verhältnis der Länder untereinander vergiftend.

Wie die Lage ist, kann der Bund Wohltaten verteilen, zum Beispiel die Staatsoper sanieren oder über eine Stiftung das Deutsche Historische Museum tragen. Er kann das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt für Festakte nutzen, kann hier für Verwaltungsaufwand zuschießen und dort etwas geben. Er kann es aber auch lassen, wenn die Oper ihn nicht mehr interessiert oder zu teuer wird. Ansprüche kann die Hauptstadt aus dem, was ist, kaum ableiten. Eine verlässliche Basis sieht anders aus, die im Grundgesetz zitierte Repräsentation des Staates auch.

Der Schwebezustand belastet zudem das Miteinander der Länder. Der Ruf Berlins ist wegen jahrelanger vermuteter Misswirtschaft ohnedies nicht der beste, was von den Schulden teilungsbedingt war, bleibt Gegenstand andauernden Zankes. Ist Berlin ein Land wie jedes andere? Braucht die Hauptstadt besondere Mittel, wo sie doch auch als Ort der Repräsentanz des Gesamtstaates besondere Verpflichtungen hat?

Als Artikel 22 neu gefasst wurde, regierte eine große Koalition. Sie hatte die nötige Mehrheit im Parlament. Jetzt sind wieder CDU, CSU und SPD gemeinsam in der Regierungsverantwortung. Ihre Abgeordneten sollten sich daran machen, den Gesetzgebungsauftrag zu erfüllen. Es ist höchste Zeit dafür.

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