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Meinung: Berliner CDU-Affäre: Abgeklärt, nicht aufgeklärt

Berlin ist eine schnelle Stadt. Nur die Politik ist langsam, sagt man.

Berlin ist eine schnelle Stadt. Nur die Politik ist langsam, sagt man. Welch ein Irrtum: Innerhalb von nur zwei Wochen hat es die CDU geschafft, eine Affäre zu haben, zu bedauern und als vollständig aufgeklärt abzulegen. Politisch kommt sie damit vielleicht sogar durch. Nur eine ganz, ganz kleine Affäre sei es gewesen. Eine Petitesse. Was sind schon Landowskys Tausender gegen Kohls Millionen? Das nimmt dem CDU-Fraktionsvorsitzenden zwar etwas von seiner Grandezza, aber erschüttert nicht die Partei. Oder gar die Koalition mit der SPD.

Seit zehn Jahren behaupten Berliner CDU-Politiker, sie hätten aus dem Antes-Korruptionsskandal gelernt. Als die Spendenaffäre um Kohl und Kanther aufkam, verströmten sie die überhebliche Gelassenheit von Grippegeimpften im Winter. Keine Ansteckungsgefahr. Aus heutiger Sicht lässt sich sagen: Sie sind schlauer geworden, aber nicht klug.

Damals hatten CDU-Spitzenpolitiker, darunter der heutige Regierende Bürgermeister, viele zehntausend Mark von Bauunternehmern angenommen - Geld, das in Umschlägen steckte. Seitdem gelten in der CDU feste Regeln: Barspenden über tausend Mark dürfen nicht angenommen werden, ab fünftausend Mark sind Spenden auf ein zentrales Parteikonto einzuzahlen, für jede Spende muss eine Quittung ausgestellt werden. Landowsky hat gegen alle drei Regeln verstoßen, anscheinend ganz selbstverständlich. Das sei doch eine unproblematische Zeit gewesen, sagt er heute. Ist die Vermutung so abwegig, dass Landowskys Schutzengel nur deshalb nicht Alarm schlug, weil er durch ständigen Einsatz seit dem Fall Antes erschöpft war? Das Ungewöhnliche wird nur dann als solches erlebt, wenn es nicht schon zur Gewohnheit wurde.

Der Rechtsanwalt, der für die CDU den Vorgang prüfte, ist ein honoriger Mann, aber selbst Mitglied der CDU und ein alter Bekannter von Diepgen. Der Prüfer hat die Verteilung der Spende penibel nachgerechnet. Sein Ergebnis: Es fehlt kein Pfennig. Als ob es darauf ankäme. Wie das Geld unter den Parteifreunden aufgeteilt wurde, ist nur für die CDU selbst von Belang. Es zeugt allerdings vom Geschick der Betroffenen, dass sie das öffentliche Interesse auf diese Nebensache lenken konnten. Es ehrt den Prüfer, dass er den Kern der Geschichte zumindest nicht verschwieg: Über die Motive, gegen die Regeln zu handeln, hat er nichts erfahren.

Landowsky hat als CDU-Politiker von Geschäftsleuten Spendengeld entgegengenommen, die als CDU-Mitglieder vom Bankchef Landowsky einen Kredit über 700 Millionen Mark haben wollten. Oder war es andersherum? Die Spender hätten einen Scheck ausfüllen, die 40 000 Mark überweisen können. Sie zogen vor, die Tausender in zwei Umschlägen durch die Stadt zu tragen und Landowsky auf den Bankschreibtisch zu legen. Ohne Quittung. Warum?

Es gibt eine in der CDU kolportierte Erklärung. Die Spender, die in der Partei nichts hatten werden können, wollten als Geschäftsleute mit großer Geste auftrumpfen. So sei eben Berlin: Jeder kenne jeden (was auf einen überschaubaren, hoch einflussreichen und seit vielen Jahren stabilen Kreis von Politikern, Rechtsanwälten und Unternehmern ja zutrifft), da denke man sich nichts Böses. Außerdem seien 40 000 Mark für Landowsky keine Summe, bei der er schwach würde.

Doch was Landowskys Tausender von Kohls Millionen wirklich unterscheidet: Beim früheren Kanzler gibt es nur eine vage Vermutung, dass ein Zusammenhang besteht zwischen der Annahme von Spenden und der Gewährung eines Vorteils. Bei Landowsky gibt es einen Verdacht, der genährt wird durch Firmenvermerke, örtliche und zeitliche Nähe beider Vorgänge sowie die ungewöhnliche Risikobereitschaft der Landowsky-Bank, an der das Land Berlin über die Bankgesellschaft maßgeblich beteiligt ist: Haben sich die Spender eine wohlgefälligere Behandlung ihres Kreditantrags versprochen? Wenn ja, dann können ein paar Tausender plötzlich schwerer wiegen als ein paar Millionen.

Die Spendenaffäre der Berliner CDU ist erst dann beendet, wenn sicher ist, dass es anders war. Eberhard Diepgen hat gesagt, man könne nur aufklären, was man kennt. In diesem Fall gilt: Man kann nur aufklären, was man kennen will.

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